von Amanda Beser Jáchym Topols Roman Die Teufelswerkstatt (Suhrkamp) lässt sich als (post-)sozialistische und postmemoriale Werkstatt lesen, die mit dem neoavantgardistischen Bruch bricht. Sie ist auch eine Erzählwerkstatt, die erstaunlich ökonomisch und produktiv die Frage nach dem „Wer spricht?“ löst. In dem phantasmatischen Gedenkstätten-Thriller finden sich keine Anführungsstriche bei direkt gesprochener Rede. Und Nietzsches Frage…
Leseeindrücke: “Die nicht sterben”, “Tahiti Utopia”, “Mars” und “Der Berg”
Es ist stiller hier geworden. Corona hat uns trotz der aktuellen positiven Entwicklung noch fest im Griff, die Arbeit und andere Projekte und Hobbys tun ihr übriges, sodass das Lesen leider oft zu kurz kommt. Dennoch möchte ich drei Titel, die mich in den letzten Wochen begleitet, einmal begeistert und zweimal leider enttäuscht haben, einmal…
Queerer Roman:„Im Wasser sind wir schwerelos“ von Tomasz Jedrowski
von Natalia Prüfer Ich habe mich sehr gewundert, als ich in einem deutschen Radiosender hörte, dass Tomasz Jedrowski ein polnischer Schriftsteller sei. Sein Name, obwohl er polnisch klingt, war mir fremd. Dann las ich seinen Lebenslauf und seinen Debütroman „Im Wasser sind wir schwerelos“ (Hoffmann & Campe). Tomasz Jedrowski wurde als Kind polnischer Eltern in…
Eine Stereotypmaschinerie der „russischen Seele“
Die „russische Seele“ – wie viel Pathos, welche literarischen Tiefen und vielleicht sogar imperialen Traumlandschaften schwingen mit in dieser Worthülse? Zugegeben kann der Titel „Handwörterbuch der russischen Seele“ von Alexander Estis Irritationen auslösen, allerdings womöglich gewünscht. Die Befremdung beginnt bei der zu hinterfragenden Konstruktion einer pauschalisierten nationalen Seele und wird bei der formalen Kategorie des…
Von Grau und anderen Farben. Tomasz Różycki: „Über die Farben. Berliner Notizen“
von Ricarda Fait Es war während des ersten Lockdowns im März und April 2020, in der Tomasz Różycki seine „Berliner Notizen“ schrieb. Ein Jahr später sitze ich auch zuhause, im zweiten Lockdown, den wir noch aus dem vergangenen Jahr mit hinübergeschleppt haben. Der März 2021 ist schon vorangeschritten und es wird Zeit, sich diesem literarischen…
Kurzvorstellung|Kindheit und Jugend in der zerfallenden UdSSR: “Camel Travel” von Volha Hapeyeva
Das kleine Buch “Camel Travel” von Volha Hapeyeva (erschienen im Literaturverlag Droschl, in einer Übersetzung von Thomas Weiler) versammelt literarische Erinnerungen an die Kindheit und Jugend der Autorin. 1982 in Minsk geboren, schreibt Hapeyeva in kurzen Szenen über das Aufwachsen in der zerfallenden UdSSR, über prägende und tragische Momente. Es geht um ihre Schulzeit, um…
Liebesgeschichten von Tschingis Aitmatow
Drei ungewöhnliche Liebesgeschichten hat der Züricher Unionsverlag gesammelt herausgegeben. Es handelt sich dabei um besondere Erzählungen von Liebeserfahrungen aus der Feder Aitmatows. Die bekannteste von ihnen, Dshamilja, und Mitbegründerin des Aitmatow‘schen literarischen Renommees, ist ebenso aufgeführt, wie die herzzerreißenden Du meine Pappel im roten Kopftuch und Aug in Auge. Auch wenn es nicht an einem…
Zwei Kurzgeschichtenbände: “Gesammelte Scherben” und “Wenn du ankommst, ruf mich an”
Kristin Dimitrova gehört zu den wichtigen zeitgenössischen Stimmen des literarischen Bulgariens. Trotz ihrer Bekanntheit in ihrem Heimatland, ist sie im deutschsprachigen Raum bisher eher unentdeckt geblieben. Erst im November 2020 erschienen ausgewählte Kurzgeschichten als “Wenn du ankommst, ruf mich an” im Schweizer Indieverlag INK press. Übersetzt wurden diese von Viktoria Dimitrova Popova, zu jeder Geschichte…
Spiel um Macht: “Revolution” von Viktor Martinowitsch
“Also (Trommelwirbel), ich heiße Michail Alexejewitsch German, und ich werde euch erzählen, was Macht ist.” Revolution: Sturz der Mächtigen, eine Veränderung der Machtverhältnisse, oft mit Gewalt und Leid verbunden. Viktor Martinowitschs gleichnamiger Roman, bei Voland & Quist in einer Übersetzung von Thomas Weiler erschienen, versetzt uns in ein düsteres Moskau, das marionettenartig vom sogenannten Pantheon…
Eine Graphic Novel aus Litauen – „Sibiro Haiku“
Der schweizerische Verlag Baobab Books erfreut uns immer wieder mit toller Kinderliteratur aus Mittel- und Osteuropa. Dieses Mal durften wir allerdings eine ganz besondere Graphic Novel-Geschichte aus Litauen lesen und rezensieren – „Sibiro Haiku“ von Jurga Vilė (Text) und Lina Itagaki (Illustration) erzählt im Text und Bild eine bewegende Geschichte des Jungen Algis, der mit…