Ich gebe zu, die ersten Seiten von “Tal der Wunder” haben mich leicht überfordert. Schräge Figuren, chaotische Rückblenden und ein “Alles ist verbunden”-Stil haben mich zu Beginn etwas daran zweifeln lassen, ob ich den Durchblick behalten kann. Doch schnell wurde dieser Eindruck durch den verblüffenden Einfallsreichtum und die liebenswürdige Gestaltung der Figuren ersetzt. Was die polnische Erfolgsautorin Dominika Słowik mit ihrem “Tal der Wunder” (erschienen im Katapult Verlag in einer Übersetzung von Alexandra Tobor) präsentiert, ist wohl an Originalität wohl schwer zu überbieten. Springen wir aber zum Anfang:

In der polnischen Kleinstadt Zuckrowka, die Stadt der drei Wunder vom Mahrtal, passieren immer wieder merkwürdige Dinge: Fußspuren im Schnee verschwinden plötzlich im Nichts, ein Imker verzaubert Bienen, eine Heiligenstatue verschwindet, um später wieder auzuerstehen und eine Schülerin läuft nachts schlafwandelnd über die Dächer. Die trostlosen Ferientage der drei Freunde Hans, Mischa und die Ich-Erzählerin werden davon jäh unterbrochen. Plötzlich befinden sie sich mitten in einem Krimi gespickt mit Aberglauben und Folklore. Können sie Licht in das Dunkle bringen und die Geheimnisse ihres Zuhauses lüften? Die drei Jugendlichen begeben sich auf Spurensuche und entdecken dabei nach und nach vielleicht mehr, als sie urspünglich wollten.
“Tal der Wunder” ist eine fantastische Mischung aus Folklore, Coming of Age, Komödie und Gesellschaftssatrire. Auf 480 Seiten spinnt die Autorin das Bild einer Kleinstadt mitten im Nirgendwo und springt in verschiedene Zeitebenen. Doch ist alles nur ein Märchen? Die Erzählung einer (oder mehrerer)Jugendlichen, die aus Langeweile imaginäre Hexen, Teufel und Geister heraufbeschwört? Wie viel Wahrheit steckt wirklich im Tal der Wunder?
Spannend daran ist, wie gut Dominika Słowik den Zeitgeist zu Beginn der 2000er wiedergibt. Die stillgelegte Fabrik Zuckrowkas erzählt von vergangenen, besseren Zeiten, heute befindet sich hier die Partyzentrale der Dorfjugend. Ein einsames Heimatmuseum zeigt die Geschichte der Stadt, bis es mangels Personals und Geschichte geschlossen wird. So entsteht das Porträt einer Gemeinde, die zugleich alles und nichts bietet, in der zu viel und gleichzeitig zu wenig passiert. Ein Buch, das, plump gesagt, sehr viel Spaß bereitet.