Unsere Bücherstapel werden nicht kleiner und bevor wir uns mit dem kommenden Herbstprogramm der Literaturverlage beschäftigen können, liegen bei uns noch einige spannende Titel aus der Backlist auf dem Tisch, die wir euch in diesem Beitrag in einer eher ungewöhnlichen Form vorstellen wollen – und zwar anhand eines Zitats, das euch sofort packen und zur Lektüre des Titels motivieren soll. Alle vier AutorInnen schreiben aus verschiedenen kulturellen Kontexten, aber in deutscher Sprache. Ihre Leben stehen im Zeichen der Migration, hinter der sich jeweils eine einzigartige Familiengeschichte verbirgt – eine Geschichte voller Erinnerungen, Traumata und Träume.
von Irine Beridze
Tijan Sila „Die Fahne der Wünsche“ (Kiepenheuer&Witsch)
„Meine Mutter und ich hatten monatelang wie Fremde nebeneinander her gelebt. Blicke ich heute auf meine Jugend zurück, kann ich mich kaum an die Zeit erinnern, in der ich Eltern hatte; manchmal kommt es mir vor, als wäre ich nicht geboren worden, sondern irgendwann einfach da gewesen.“
P.S. Den Debütroman von Tijan Sila haben wir auf Read Ost bereits vorgestellt: „Eichhörnchen hatten uns enttäuscht“ – Tijan Sila: Tierchen Unlimited.
Nikita Afanasjew „König, Krim und Kasatschok“ (btb)
„Irgendwann begriff ich, dass es einen Sinn hat, Geschichten immer wieder zu erzählen. Mit jeder Wiederholung wird die Erinnerung mit einem neuen Faden verstärkt, der sich über die alten, hart und brüchig gewordenen Fäden legt. Manche Geschichten verlieren irgendwann jeglichen Halt und fallen ins Zeit- und Bodenlose, aber die prägnanten Momente werden stets aufs Neue verzurrt.“
P.S. Nikita Afanasjews Roman „Banküberfall, Berghütte oder ans Ende der Welt“ wurde auf Read Ost ebenfalls bereits vorgestellt: Das Monster und sein Schöpfer: „Banküberfall, Berghütte oder ans Ende der Welt“ von Nikita Afanasjew
Emilia Smechowski „Wir Strebermigranten“ (Hanser Berlin)
„Wir hielten uns fern von unseren Landsleuten. Wenn es in dieser Zeit so etwas wie Integrationsmeisterschaften gegeben hätte, wir hätten jedes Jahr Gold geholt. Wir verzichteten auf eine Bindestrich-Identität als Deutsch-Polen und wurden fast deutscher als deutsch. Die Wissenschaft nennt das: Assimilation.“
Maxim Biller „Sechs Koffer“ (Kiepenheuer&Witsch)
„Er antwortete immer noch nicht, aber dann blieb er einfach stehen – das war schon an der Ecke Laubova und Slavíkova –, er lächelte, so wie nur er lächeln konnte, er streichelte ihr zärtlich mit dem haarigen Rücken seiner Hand über die Wange, und sie wusste genau, was er dachte das sie überall unglücklich war und dass sie dafür nicht erst von einem Land in ein anderes umziehen musste.“
Coole Idee – Bücher kennenlernen über Zitate. Bei der Auswahl springt ein Funke über, bei dem ich den Eindruck habe zu erkennen “wie” das Buch ist.
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