Im Februar 2019 wurde „Der traurige Gast“ von Matthias Nawrat bei Rowohlt veröffentlicht und danach pünktlich für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.
von Natalia Prüfer
Matthias Nawrat wurde in Polen (in der Stadt Opole) geboren, zog aber mit 10 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Nawrat studierte Biologie in Heidelberg und nahm danach das Studium am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel/Bienne auf. Seitdem beschäftigt er sich mit der Literatur und dem Schreiben. 2012 erschien sein erster Roman „Wir zwei allein“, danach folgten die Bücher „Unternehmer“ (2014) und „Die vielen Tode unseres Opa Jurek“ (2015), das er seiner polnischen Familie und ihrer Geschichte widmete.
Sein letzter Roman „Der traurige Gast“ wurde bereits in allen großen deutschsprachigen Zeitungen vorgestellt. Fast alle Rezensenten sind vom Buch begeistert und betonen, dass Nawrats Sprache und Authentizität durch seine polnische Herkunft gefärbt ist. Für mich als gebürtige Polin sind diese „Farben“ allerdings kaum spürbar. Meiner Meinung nach sind im Roman die polnischen Motive, Geschichten und Helden viel wichtiger. Der Erzähler – ein Schriftsteller – trifft sich mit verschiedenen, ihm überwiegend bekannten, Leuten, die ihm Geschichten aus ihren Leben erzählen. Diese Art der Beichte ist für sie eine Notwendigkeit. Er, durch seine Empathie geprägt, fühlt sich verpflichtet zuzuhören, kann aber natürlich nicht ihre Leben beeinflussen. So gibt es zum Beispiel eine Architektin und einen Arzt aus Polen, deren Migrantenleben nicht glücklich ist. Es gibt Verkäufer, Friseure, Nachbarn oder komplett fremde Leute, die dem Schriftsteller immer etwas erzählen. Er bleibt passiv, aber neugierig auf alles, was er hört. Der Erzähler wird zu einem Gast in ihren Leben.
Zentraler Handlungsort des Buches ist Berlin mit seinen Mikrowelten, Migranten und Obdachlosen. Eine Stadt nicht nur für kreative Künstler, glückliche Freaks und freche Touristen, sondern eine Metropole für die Menschen aus der ganzen Welt und für ihre komplizierten, harten und untypischen Lebensläufen. Der terroristische Angriff von Dezember 2016 prägt die Stadt immer noch stark. Nawrat beschreibt die Tragödie sowie die ersten unsicheren und ängstlichen Trauertage und die Tatsache, dass wir alle letztlich im Stande sind, so schnell zu vergessen.
Nawrat erzählt aus der Welt von MigrantInnen und ihrem Ankommen in der Fremde, was nicht immer ein leichter Prozess ist. „Der traurige Gast“ ist ein melancholisches und schmerzhaftes Buch. Es beschreibt eine Krise, die vielfältig und unbegrenzt ist: Eine Krise in Europa, eine Krise in der Politik und Wirtschaft und eine in unseren Herzen.
Autor: Matthias Nawrat
Titel: Der traurige Gast
Gebundene Ausgabe: 299 Seiten, 22€ (D)
Verlag: ROWOHLT (2019)
ISBN: 9783498047047