Die „russische Seele“ – wie viel Pathos, welche literarischen Tiefen und vielleicht sogar imperialen Traumlandschaften schwingen mit in dieser Worthülse? Zugegeben kann der Titel „Handwörterbuch der russischen Seele“ von Alexander Estis Irritationen auslösen, allerdings womöglich gewünscht. Die Befremdung beginnt bei der zu hinterfragenden Konstruktion einer pauschalisierten nationalen Seele und wird bei der formalen Kategorie des…
Tag: Heimat
Zagreb, 1941 bis 1991: “Familienroman” von Ivana Sajko
“Ich habe drei Jahre meines eigenen Lebens gebraucht, um jene fünfzig kurz zusammenzufassen, die mir scheinbar überhaupt nicht widerfahren sind.” Mit diesen Worten beginnt die kroatische Autorin Ivana Sajko ihr Buch “Familienroman: Die Ereignisse von 1941 bis 1991 und darüber hinaus” (Verlag Voland & Quist, übersetzt von Alida Bremer). Sprunghaft beschreibt sie darin in kurzen…
Zweimal Kurzgeschichten von Ismail Kadare und Jurica Pavičić
von Annika Grützner Ismail Kadare ist Albaniens berühmtester Autor – und ein „Dauerverdächtiger“ für den Nobelpreis. In seinen Erzählungen geht es um die Geschichte seiner Heimat. In einer präzisen Sprache gibt er dabei das Leben in den engen Steingassen der Gebirgssiedlungen wieder, die voller Leben sind. „Geboren aus Stein“, das nun im Fischer Verlag erschienen…
Transformation und Pubertät: „Die Untermieterin“ von Wioletta Greg
von Natalia Prüfer Wioletta Greg (polnischer Name Grzegorzewska) beschreibt sich selbst als Mutter, Schriftstellerin und Emigrantin. Seit 2006 wohnt sie nicht mehr in Polen, sondern in Großbritannien und stand hier mit ihrem Roman „Unreife Früchte“ (C.H. Beck) auf der Man Booker International Longlist 2017. Der neue Roman „Die Untermieterin“ ist eine Fortsetzung der Geschichte um die…
Dreimal btb-Taschenbuch: „Mova“ von Viktor Martinowitsch, „Italienische Stunden“ von Marina Stepnowa und „Balkan Blues“ von Elvira Mujčić
von Annika Grützner Bücher versetzen uns in fremde Welten. Der weißrussische Autor Viktor Martinowitsch nimmt diese Aussage in seinem dystopischen Roman „Mova“ so ernst, wie es nur geht, und lässt die Menschen in seiner Geschichte durch die sogenannten Mova-Texte high werden. Der Inhalt dieser Briefe ist gleichgültig, immer geht es darum, durch das Lesen in…
Immer unterwegs: „Unrast“ von Olga Tokarczuk
„Reg dich, beweg dich, los, Bewegung, Unrast. Nur so kannst du ihm entkommen. Er, der die Welt beherrscht, hat keine Macht über die Bewegung und weiß, dass unser Körper in Bewegung heilig ist, nur dann kannst du ihm entgehen, wenn du dich bewegst. Er aber hat die Herrschaft über das, was so unbeweglich und erstarrt…
Reise in die Vergangenheit: „Obolé“ von Aka Mortschiladse
„So ist das nun mal, erst kann ich ewig nicht herkommen, und wenn ich einmal da bin, will ich nicht wieder von hier weggehen.“ Aka Mortschiladses „Obolé“ (mitteldeutscher verlag) ist eine Reise in die Heimat. Als der in Tbilissi lebende Irakli die Nachricht erhält, dass das Dach seines leerstehenden Elternhauses droht, einzustürzen, reist er in seine…
Tagebuch der Identität: Rodica Draghincescus „Die Fee der Teufel“
Ein Schloss nahe Stuttgart, in dem auch Schiller zeitweilig lebte, eine einsame rumänische Autorin und ein Telefon, das niemals still zu stehen scheint: Rodica Draghincescus „Die Fee der Teufel“ (KLAK Verlag) ist ein turbulenter und teils autobiografischer Tagebuchroman. Es fehlt schwer, das Buch zusammenzufassen, denn hat man erst einmal den Zugang zum Text gefunden (oder…