(Fiktive) Welt am Abgrund: „Outpost – Der Posten“ von Dmitry Glukhovsky

Klimakatastrophe, Krieg, Corona: Die Welt, wie wir sie aktuell erleben müssen, fühlt sich an, wie eine Entrückung, als würden wir am Rande eines Abgrunds balancieren. In dieser Zeit zu einem Buch zu greifen, was einen Schritt weitergeht, was nach dem Zerfall der modernen Gesellschaft spielt, ist fast schon makaber. Sich aus einer irrealen Welt in die nächste flüchten? In eine fiktive Zukunft, die plötzlich gar nicht mehr so fiktiv erscheint? Es gibt unterschiedliche Wege, mit der Gegenwart umzugehen, manchmal kann es eben doch helfen, einen Blick in die literarische dystopische Zukunft zu werfen und sich mit noch düsteren Bildern abzulenken. Wieder makaber, diese Flucht in die Buchseiten eines anderen Abgrunds. Dmitry Glukhovskys Auftakt seiner neuen Postapokalyptischen Reihe „Outpost – Der Posten“ (Heyne) (übersetzt von Jennie Seitz und Maria Rajer)gibt uns genau das: Im Russland der nahen Zukunft ist nach einem Krieg das Systam zusammengebrochen. Der junge Jegor lebt mit seiner Familie am östlichsten Außenposten des Landes. Die natürliche Grenze bietet die vergiftete Wolga, über deren Brücke seit Jahrzehnten niemand mehr gekommen ist Bis sich plötzlich ein Geistlicher mit letzter Kraft zu ihnen schleppt und ihr Verderben ankündigt …

Dmitry Glukhovsky ist einer der erfolgreichsten russischen Autoren unserer Zeit. Immer wieder kombiniert er seine dystopischen Romane mit Gesellschaftskritik, nicht zuletzt mit „Text“ (Europa Verlag, 2019) als Abrechnung mit Putins Russland. Nun sind seine Geschichten näher an die Realität gerückt, erzählen sie meist von der Gesellschaft nach einem verherrenden Krieg. Die Kritik des Autors ist insbesondere bei Outpost teilweise etwas mit dem Holzhammer eingebunden, wird aber zumindest in eine unterhaltsame Geschichte verpackt, die es trägt. Und Fans des Autors kommen in dieser vollkommen auf ihre Kosten: Es gibt Charaktere zwischen Melancholie und Zorn, Gruselelemente und am Ende sogar noch ziemlich viel Splatterelemente. Das Erzähltempo nimmt im Laufe der 416 Seiten immer mehr an Fahrt auf und wie auch in seinen Metroromanen schafft Glukhovksy es hervorragend, insbesondere mit seinen Beschreibungen der Umgebung das Unbehagen und die Gefahr spürbar zu machen. „Outpost – Der Posten“ ist keine hohe Literatur, will es aber auch gar nicht sein. In einfacher Sprache folgen wir den Protagonistinnen Jegor und Michelle und ihrem Wunsch, es irgendwie besser zu haben und ihre Situation besser zu verstehen. Wir stoßen auf Geheimnisse und dunkle Vorahnungen, kämpfen gegen die Befehlshaber im fernen Moskau und verlieben uns auch ein bisschen.

„Outpost – Der Posten“ ist ein unterhaltsamer erster Teil für zwischendurch. Der nächste Band „Outpost – Der Aufbruch“ erscheint am 9. November 2022.

Herausgeber: ‎Heyne Verlag; Deutsche Erstausgabe Edition (11. Oktober 2021), 20 € (D)
Übersetzung: Jennie Seitz und Maria Rajer
Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
ISBN-13: ‎978-3453321779

von Annika Grützner

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Twitter picture

You are commenting using your Twitter account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.