“Wir befinden uns ständig am Rand, am Ende von Etwas, das einem Anfang ähnlich war und uns dann ohne Hinweis auf unser weiteres Leben im Stich ließ.”
David Albahari zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Serbiens und erhielt für seine Werke zahlreiche renommierte Literaturpreise. Mit “Heute ist Mittwoch” (erschienen bei Schöffling & Co. in einer Übersetzung von Mirjana und Klaus Wittmann) präsentiert er sein wohl politischstes Werk und schreibt über die Vergangenheit seiner Heimat, von Schuld und Vergessen.
An einem Mittwoch begleitet der Ich-Erzähler seinen an Parkinson erkrankten Vater zu einer Untersuchung und beginnt mit der Geschichte zu den Erinnerungen seiner Familie, in denen der Vater als Tyrann im Mittelpunkt steht. Die Mutter ist bereits verstorben, die Schwester hat geheiratet und das Elternhaus fluchtartig verlassen. Nun kümmert sich der Sohn, im Wechsel zwischen Verständnis und Unmut, denn von Reue kann keine Rede sein. Nicht nur, dass sein Vater die Familie schlecht behandelte, zudem ist seine Verbindung mit der Geschichte Jugoslawiens eine sehr “besondere”:
“Auf jeden Fall ist es nicht einfach, mit der Tatsache konfrontiert zu werden, das der Mensch, neben dem man aufgewachsen ist und der einem Liebe und Wärme spendete, einer der Bösewichte ist, die ganz oben auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher stehen. Mein Vater – der Kommunist. Mein Vater – das Mitglied der OZNA. Mein Vater – verantwortlich für die Unterdrückung der Religion in den Dörfern der Wojwodina.”
Die Erinnerungen des Vaters scheinen immer wieder in Gesprächen durch. Er erzählt von den Schikanen an denen, die sich wehrten und von seiner Zeit im Arbeitslager, nachdem sich eins seiner Opfer rächte und ihn als Stalinisten anzeigte. Gleichzeitig aber nutzt er die Zeit der Ruhe nicht, um seine Vergangenheit zu hinterfragen. Für ihn ist es ein Teil seines Lebens, über den er nicht unbedingt gerne spricht, es aber doch stellenweise während ihrer Spaziergänge tut – ohne entstehende Läuterung oder Einsicht. Was geschehen ist, ist geschehen. Und nun, mit der Erkrankung zerfällt das einstige Familienoberhaupt und die anderen müssen die Scherben aufsammeln.
“Heute ist Mittwoch” ist eher eine Analyse der Beziehung von Vater und Sohn, als wirkliche Erzählung, verbunden mit der Frage nach der Schuld. Sprunghaft wechselt der Text dabei zwischen Alltagsgeplänkel und tiefgründigen Gedanken sowie Überlegungen. Leider entstehen dabei auch viel Redundanz und Wiederholungen und so verspricht der Klappentext meiner Meinung nach mehr Einblicke, als es in Wirklichkeit der Fall ist.
von Annika Grützner
- Gebundene Ausgabe: 208 Seiten, 22 € (D)
- Verlag: Schoeffling + Co.; Auflage: 1. (4. Februar 2020)
- Übersetzung: Mirjana und Klaus Wittmann
- ISBN-13: 978-3895614293
Ich finde auch, dass es gelungenere Bücher von Albahari gibt. Ich habe irgendwann abgebrochen, versuche es aber vielleicht jetzt nochmal.
Viele Grüße!
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