Der Zweite Weltkrieg, die Zeit des Eisernen Vorhangs und zunehmende Globalisierung mit dem Zerfall alter Strukturen sind wiederkehrende Elemente in vielen Texten europäischer SchriftstellerInnen. In diesem Beitrag möchten wir euch drei aktuelle Werke vorstellen, in denen sich ihre VerfasserInnen mit der Geschichte fiktiver und realer Figuren auseinandersetzen.
von Annika Grützner
Der 1966 in Sarajevo geborene und heute in Zagreb lebende Schriftsteller und Journalist Miljenko Jergović gehört heute zu den großen Autoren der Gegenwartsliteratur. In seinen Romanen behandelt er die Geschichte Jugoslawiens und stellt verschiedene Schicksale der Bevölkerung in den Vordergrund. Mit “Die unerhörte Geschichte meiner Familie” (Hardcover: Schöffling Verlag, Taschenbuch: btb, übersetzt von Brigitte Döbert) widmet er sich zwischen Fakt und Fiktion seiner eigenen Familiengeschichte und präsentiert mit dieser in über 1.100 Seiten ein Zeitpanorama Südosteuropas mit allen Höhen und Tiefen. Ein Mammutwerk, das seinesgleichen sucht.
In “Für, gegen und ohne Kommunismus” (C.H. Beck, übersetzt von Elsbeth Zylla) schreibt der aus Ungarn stammende in Berlin lebende Autor und Historiker György Dalos über seine Erinnerungen aus der Zeit des Kommunismus. 1943 als Sohn jüdischer Eltern in Budapest geboren, entkommt die Familie nur knapp dem Vernichtungslager und baut sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Leben auf. Als glühender Verfechter des Kommunismus tritt der junge Dalos dem Kommunistischen Jugendverband bei und erhält einen Studienplatz in Moskau. Doch der einst so starke Glaube erhält den ersten Riss, als er nach seiner Rückkehr in Ungarn aufgrund angeblicher maoistischer Umtriebe zu sieben Monaten Haft verurteilt wird und immer mehr den Halt verliert. Mit “Für, gegen und ohne Kommunismus” reflektiert Dalos schonungslos ehrlich und selbstkritisch seinen Weg hinter dem Eisernen Vorgang in die Freiheit.
Über ein weiteres besonderes Stück Geschichte berichtet die tschechische Autorin und Journalistin Markéta Pilátová in “Mit Baťa im Dschungel” (Wieser Verlag, übersetzt von Sophia Marzolff). In den Roman schreibt die studierte Hispanistin über den Lebensweg des erfolgreichen tschechischen Schuhfabrikanten Jan Antonín Baťa, von Nationalsozialisten verfolgt und den Kommunisten geächtet, flieht dieser während des Zweiten Weltkrieges nach Brasilien, um hier ein neues Leben zu beginnen. Der Start in der neuen Heimat ist hart und die Sehnsucht nach Europa groß, doch der Wunsch, auch in Brasilien mit seinem Schuhgeschäft Fuß zu fassen, gibt ihm Zuversicht und Mut. “Mit Baťa im Dschungel” ist die bis ins Detail recherchierte und spannende Geschichte eines Träumers, dessen Schuhe heute weltweit verkauft werden.