Der Galerist und Kurator – Jens Pepper spricht im Buch „Gespräche über Polnische Fotografie“ mit polnischen FotografInnen, KünstlerInnen, SammlerInnen und KuratorInnen. Das Hauptmotiv ist die Fotografie, aber eine Vielfalt von Fragen an die GesprächspartnerInnen kreisen generell um das Land Polen und seine gesellschaftlichen und politischen Probleme, aktuelle wie historische.
Der Berliner KLAK Verlag, der eine Neigung für mittel- und osteuropäischen Länder und deren Kulturlandschaften hat, präsentiert sehr gern polnische Literatur (z.B. Bücher von: Zbigniew Masternak, Justyna Bargielska, Włodzimierz Nowak, Lidia Ostalowska) und polnisches Theater (Bücher über Tadeusz Kantor oder eine Auswahl von polnischen Theaterstücken). Jetzt kam der Zeitpunkt für Fotografie.
Jens Pepper stellt die starke These auf: „Gesamtgesellschaftlich spielen Kunst und Fotografie in Polen einfach noch keine große Rolle.“ und erklärt die entsprechenden Gründe und diskutiert eventuelle Möglichkeiten für die Zukunft. Er schreibt über den Mangel an Fotoausstellungen, Galerien und an internationalen Austauschmöglichkeiten zwischen den Fotografen. Pepper stellt viele fachlichen Fragen, kennt seine GesprächspartnerInnen und ihre Arbeit. Manchmal provoziert er auch, manchmal lässt er aber die Gesprächsteilnehmenden einfach reden.
Die Fotografen erzählen auch über ihre privaten Erfahrungen und ihre Arbeit während verschiedener historischer Phasen der polnischen Geschichte: Während des Kommunismus, des Kriegsrechts, der Solidarność Bewegung und nach 1990, der Zeit in der Werbung und Marketing (also auch die Fotografie) ein wirtschaftliches Wunder erlebte.
Nach der Lektüre lassen es sich verschiedene Fotokonzepte hervorheben: Fotografie als Dokument, als Beweis der wichtigen gesellschaftlichen und historischen Ereignisse, Fotografie als Kunst mit experimentellen Techniken, Ausdrücken und Ideen sowie Fotografie als Sammelobjekt. Unter den 30 GesprächspartnerInnen favorisiert Pepper keine*n, sondern fragt nach Inspirationen, Anfängen und Plänen. Seine Gäste sind Teil einer unglaublich bunten Gesellschaft: Manche fühlen sich mehr als Kunstschaffende, manche eher als JournalistInnen oder sie beschäftigen sich mit Fotografie schlicht einfach zum Vergnügen.
Der älteste Fotograf und Gesprächspartner – Krzysztof Gierałtowski, ist 80 Jahre alt. Über ihn veröffentlichte Pepper allerdings nur einen kleineren Beitrag, anstelle eines Dialoges. Die jüngste ist die 27-jährige Wiktoria Wojciechowska, die zum Beispiel Kriegsreportagen über die Ostukraine machte. Ein sehr langes und interessantes Gespräch führte Pepper mit dem bekanntesten journalistischen Fotografen in der polnischen Geschichte – Chris Niedenthal, der ausländischer Korrespondent während des Kommunismus in Polen war und dessen Fotos über die Realität in Osteuropa weltweit auf Titelseiten zahlreicher Zeitungen veröffentlicht wurden. Seine damaligen Tricksereien mit Fotoversendung, Bearbeitung und Ausstattung sind erstaunlich und erklären, was das für ein harter Beruf noch bis vor 40-50 Jahren in Polen war. Das Gespräch mit Tomek Sikora erzählt dagegen über wirtschaftliche Phänomene und den Beginn der Werbung in der postkommunistischen Gesellschaft. Theaterfotografikerin Magda Hueckel erklärt, wie Fotografie ihre privaten Probleme beeinflusst hat.
Die kurzen Biografien und Porträts der GesprächspartnerInnen bringen die Helden des Buches dem Publikum näher, die auch in Polen längst nicht jedem bekannt sind. Man liest viel über verschiedene Foto-Projekte und bekommt das Gefühl, dass es die Fotos selbst sind, die dem Buch fehlen. Das Buch ist eher einfach und bescheiden herausgegeben und wird wegen der Gestaltung der Umschlagseiten vor allem die Fotofreaks ansprechen. Das ist schade. Denn es ist kein Buch über Fotografie, das nur für Fotoliebhabende und SpezialistInnen gedacht ist. Das Buch ist eher eine Position über Polen, dessen gesellschaftlich-politische Probleme von Fotografen eingefangen werden.
Jens Pepper fragt nicht nur (aber auch) nach der Ausrüstung oder der Arbeitstechnik, sondern auch nach der nationalistischen Regierung der Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) Polens und das heutige Leben im Land, welches mehr und mehr nationalistisch und antimodern geprägt ist. Seiner Meinung nach ist es eine große Verantwortung für die Fotografen, diese Realität genau zu porträtieren.
von Natalia Staszczak-Prüfer