Dem Genre Graphic Novel nähern wir uns nun zum ersten Mal mit dem autobiographisch inspirierten Buch „Das leere Gefäß“ der polnisch-deutschen Illustratorin und Autorin Magdalena Kaszuba. Das frisch im wunderbaren Berliner Avant-Verlag erschienene Buch verarbeitet die komplexe Beziehung eines kleinen Mädchens und der mächtigsten Institution Polens – der polnischen katholischen Kirche. Ein einsamer Spaziergang durch das winterliche Hamburg versetzt die Hauptfigur zurück in ihre frühe Kindheit in Polen, die vor allem von Gottesfurcht geprägt war. In diesem Erinnerungen tauchen die streng katholische Großmutter und die Mutter auf, die der Hauptfigur bereits im frühen Kindesalter die polnische Kinderbibel schenkt und ihr täglich Geschichten daraus vorliest. Die beiden Frauen festigen so ihre frühe Verbindung zur polnischen katholischen Kirche noch mehr. Gerade diese Bibelgeschichten jagen der Protagonistin schon damals schreckliche Angst ein, von der sie sich auch Jahre später nicht mehr befreien kann – die Angst von der Hölle, die Angst um ihre Seele und zuletzt die Angst vor Gott.
Die Zeichnungen vom burtalen Brudermord, der Vertreibung aus dem Paradies und dem Sündenfall, fangen in erschreckender Deutlichkeit ein, wie die Psyche eines Kindes durch die Religion traumatisiert werden kann. In düsteren Bildern werden die biblischen Episoden mit einem leichten und teilweise verschwommenem Pinselstrich so plastisch gezeichnet, dass man beim Betrachten meint, die Bewegungen direkt wahrnehmen zu können. In den hellen grau-schwarzen und gelben Tönen zeichnet Kaszuba beeindruckend sogar die kleinen Details. Besonders gelungen sind die religiösen Attribute wie Ikonen, aber auch die Bilder der Kirchen und den entsprechenden religiösen Ritualen, die durch Darstellungen der Meereslandschaft ergänzt werden. Die mit Muscheln bedeckte polnische Küste, ist ein zentraler Ort ihrer Erinnerungen an die frühere Heimat und an ihre katholische Kindheit. Die Erfahrung ihrer ersten Beichte und die direkte Konfrontation mit dem katholischen Priester, der ihr die Absolution erteilen soll, führen später zum endgültigen schmerzhaften Bruch mit der Kirche.
Magdalena Kaszuba erzählt in knappen Worten und mit starken Bildern von einer wichtigen Zäsur in ihrer Kindheit. Das Bild dominiert hier eindeutig über das Wort und schafft eine Atmosphäre, die kaum einen Kommentar bedarf, weil sie das zu Sagende bereits in ihrer Ausführlichkeit darstellt.
von Irine
Magdalena Kaszuba (2018): Das leere Gefäß. Berlin: Avant Verlag.