„Ich bin eine Schauspielerin, die nicht von sich selbst erzählt, sondern ihren Körper und den Moment der Verwandlung nutzt, um dem Publikum eine bestimmte universelle Vorstellung vom Menschen zu vermitteln. In meiner Arbeit kommen zwei Eigenschaften zusammen — ich bin sowohl bildende Künstlerin als auch Schauspielerin. Das größte Rätsel für mich ist es herauszufinden, wer ich bin.“
Sie ist eine Künstlerin, die in ihren Werken wohl nicht moderner sein könnte: Katerina Belkina wird 1974 geboren und wächst in der russischen Industriestadt Samara in einem künstlerischen Umfeld auf. Durch ihre Mutter, die bildende Künstlerin ist, kommt Katerina schon früh in Berührung mit dieser Ausdrucksform und tritt in die familiären Fußstapfen. Sie studiert an der Petrow-Wodkin-Kunstakademie Malerei und bei Michael Musorin Fotografie, stellt ihre Werke anschließend sowohl in Ost- als auch in Westeuropa aus und wird für zahlreiche wichtige Kunstpreise nominiert. Unter anderen erhielt sie den Lucas Cranach Preis und der Hasselblad Preis. Zuletzt gewann sie 2019 den „Artfacts Performance Award For Strong Artfacts“, der sicher als perfekte Überleitung in die Beschreibung ihrer Kunst stehen kann, denn Katerina Belkina vereint Fotografie mit Malerei. Je länger man ihre Bilder betrachtet, desto uneiniger wird man sich, ob man hier eine reale Person oder doch eine sehr fein gearbeitete Zeichnung vor sich hat. Dafür nutzt sie in der Nachbearbeitung einen digitalen Pinsel, der aus den Fotografien noch ausdrucksstärkere Werke macht.
von Annika Grützner
„My Work Is My Personal Theatre“ lautet der Titel des dreisprachigen (russisch, englisch, deutsch) Bildbands, der erstmals Katerina Belkinas Werk in den kunsthistorischen Diskurs einordnet, dokumentiert und mit einem Interview sowie kurzen Beschreibungen ergänzt. Erschienen ist das nachhaltig und vegan produzierte und gestaltete (!) Buch jetzt im Verlag KOCMOC. Der Bildband vereint 10 Arbeitstitel, mottogebend erscheint insbesondere „Not a Man´s World“, denn Belkina legt den Fokus klar auf feministische Ansätze. In ihren Fotografien inszeniert sie sich als starke Frau. Owohl sie dabei hauptsächlich knapp bekleidet oder komplett nackt ist, wirkt dies im Vergleich zu anderen Werken verschiedener Künstler*innen nicht verletzlich oder hilflos, sondern betont die Kraft des weiblichen Geschlechts, sei es als Mutter, Freundin, Arbeiterin oder auch einmal als Clown verkleidet. In der Reihe „Hieroglyph“ sticht sofort die besondere Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper hervor: Belkina zerlegt diesen in fotografische Einzelteile, um anschließend Leonardo Da Vincis „Der vitruvianische Mensch“ zu kopieren.

„Das ist mein Körper. Ich nehme ihn so an, wie er ist. Meine Erscheinung ist der Schlüssel zu meinem Schicksal. Ändern wir unsere Erscheinung, stellen wir uns selbst infrage.“ (Katerina Belkina über „Hieroglyph“)

Hin und wieder haben Katerina Belkinas Fotografien scheinbar religiöse Bezüge. Mit „Personal Identity“ inszeniert sie sich scheinbar fast schon in der Form einer Ikone. Das Bild „Kitchen Story“ ist hier ebenfalls spannend. Es erinnert in der Art, wie Belkina im blauen Kleid in der Mitte des Raums am Tisch steht und dabei die Kapuze ihrer blau-grünen Jacke locker auf dem Kopf trägt an die Darstellung einer modernen Maria. Die Farbe blau ist dabei auffällig präsent, wird sie doch mit vielen positiven Eigenschaften wie Sympathie, Harmonie oder Freundschaft verbunden.
„My Work Is My Personal Theatre“ bringt uns die ausdrucksstarke Kunst Katerina Belkinas auf sehr zugängliche Weise näher. Eine große Empfehlung!
- Gebundene Ausgabe : 252 Seiten, 40 € (D)
- ISBN-13 : 978-3948174057
- Herausgeber: KOCMOC – Publishing Space; 1. Edition (15. Oktober 2020)
- Sprache: Englisch, Deutsch, Russisch