Der Spielfilm Borotmokmedi (The Criminal Man) von dem georgischen Regisseur Dimitri Mamulia feierte auf dem diesjährigen 76. Internationalen Filmfestival von Venedig in der Sektion Orizzonti seine Weltpremiere. Das Leben in der Provinz des 28-jährigen Ingenieurs Giorgi Meskhi (Giorgi Petriaschwili) scheint eintönig und unspektakulär zu sein – bis zu dem Tag, als er Zeuge am Mord eines berühmten Fußballers wird.
von Jeva Griskjane
Statt den Mordfall bei der Polizei zu melden, beginnt Giorgi ihn selbst zu untersuchen. Von diesem Tag an ergreift etwas von ihm Besitz, dem er sich nicht mehr entziehen kann. Es ist nicht nur der Mord, der ihn so aufwühlt, sondern das Morden als Phänomen, als Handlung und vielleicht auch als Erlösung. So kehrt er an den Tatort zurück, legt sich in das Gras genau an die Stelle, wo man die Leiche fand. Völlig besessen von dem Mordfall ist er an einem anderen Tag bei der Gerichtsverhandlung dabei und nach Verurteilung folgt er der Frau des Täters in ihre Wohnung.
Mal schleicht er wie ein Stalker mitten in der Nacht an ein Fenster heran und schaut zu, wie ein Mann eine nackte Frau berührt; mal begibt er sich in ein Archiv und studiert Mordfälle. Schließlich besorgt er sich eine Waffe und versucht, sich an sie zu gewöhnen, in dem er potenziellen Opfern nachstellt und die Waffe auf sie richtet. Was fehlt noch dazu, dass aus ihm ein richtiger Mörder wird?
Mamulia schafft mit diesem Film durchaus ein ästhetisch ausgeprägtes Bild, leider reicht es aber nicht aus, die gewollte Intensität und Tiefe des Film Noir zu transportieren. Die Intention des Regisseurs ist klar — durch den langsamen Rhythmus, die düsteren, kontrastreichen Farben und unklaren Dialoge soll eine Tiefe erzeugt werden. Es ist ein Mysterium, das einem apathischen Seelenzustand des Einzelnen, aber auch des gesamten kollektiven Körpers gleichkommt, die lethargischen Stimmen der Figuren und ihre ermüdeten Gesten sollen die umgebende postapokalyptisch öde Welt widerspiegeln.
Nun wirkt das Ganze wenig tiefgründig, sondern vielmehr gestellt und unehrlich. Der Hauptprotagonist Giorgi mag auch den einen oder anderen Grund dafür haben, sich von einem Mordzeugen in einen Mörder zu verwandeln, es bleibt aber unklar, was ihn dazu motiviert. Sein innerer Konflikt wird so wenig durchleuchtet, dass man sich letztlich fragen muss, ob es vielleicht gar keinen gibt? Wozu dann aber die Mühe und diese überhöhte und unmotivierte Dramatik?
Der Film ist eine einzige Pose – endlose Blicke nach rechts, links und in die Ferne, träge, künstlich verlangsamte Dialoge, unbegründete, jedoch hochdramatische Schreie, übertrieben devote Körperhaltungen. Alles nur, um die nicht vorhandene Tiefe künstlich zu erzeugen. Dem Film fehlt es vor allem an Originalität und dem Filmemacher an einer eigenen filmischen Handschrift. Die lyncheske Ästhetik, die hier sofort zu erkennen ist, irritiert bloß. Die grotesken Gesichter, das verstörte Handeln der Figuren wirkt trivial und gezwungen nachgeahmt. Der Film reflektiert sich nicht selbst (im Gegensatz zu Lynch), sondern versucht die eigene Unaufrichtigkeit mithilfe der eingängigen Mittel wie finstere Farben und den langsamen Rhythmus zu legitimieren. Die Geschichte wirkt vom Anfang bis zum Ende konstruiert, man spürt den Drang Mamulias, dem Ganzen einen philosophischen Touch zu geben – nur scheint es so, als wüsste er nicht konkret, worum es in seinem Film eigentlich geht.
Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als bis zum Ende auszuharren, die verbleibenden Minuten mühsam zu zählen sowie die Landschaftsaufnahmen in den düsteren Farben zu genießen – ein Kompliment an die Kamera (Anton Gromov, Alisher Khamidkhodzhaev).