von Annika Grützner
Der Kröner Verlag steht für ausgewählte Sachbuchliteratur mit Fokus auf den Bereichen Philosophie, Soziologie, Religion und Geschichte, doch auch die Klassiker der Weltliteratur dürfen in dem anspruchsvollen Verlagsprogramm nicht fehlen. So sind nun auch zwei Titel in großartiger deutscher Neuübersetzung erschienen, die die polnische und die georgische Literaturgeschichte prägten und dort zu den wichtigsten Veröffentlichungen gehören.
Tschabua Amiredschibis „Data Tutaschchia – Der edle Räuber vom Kaukasus“ ist eine moderne Robin-Hood-Geschichte, die in verschiedenen Episoden erzählt wird. Der Held Data Tutaschchia wird aus der Perspektive seines Widersachers, dem Chef der Kaukasischen Gendarmerie, Graf Szegedy, als ein Dieb mit moralischem Anspruch dargestellt, der der Polizei und seinen Verfolgern jedes Mal entkommen kann. Er handelt in dem Glauben um Anstand und Sitte. Graf Szegedys Erzählungen setzen sich aus verschiedenen kleinen Geschichten von Begegnungen zusammen, die ihm Bekannte und Freunde, aber auch Opfer und Feinde Tutaschchias erzählten. Als sogenannter „Abrage“ wird Tutaschchia vom Volk gleichermaßen gefürchtet wie verehrt und oft scheint es so, als wäre selbst Szegedy hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, den edlen Räuber nun endlich zu schnappen, und dem, er würde weiterhin entkommen.
Mit fast 700 Seiten ist „Data Tutaschchia – Der edle Räuber vom Kaukasus“ eine stimmgewaltige Herausforderung, kann aber durchaus seine Längen haben. Oftmals wird man mitten in die verschiedenen Episoden reingeworfen und es fällt schwer, sich darin zu orientieren. Fans der Heldenliteratur sollten sich das Buch aber unbedingt einmal ansehen. In Georgien erlangte das Buch nach der Veröffentlichung in den 70er-Jahren regelrecht Kultstatus, wurde verfilmt und als Comic herausgegeben. Hervorgehoben werden muss auch die Übersetzung von Kristiane Lichtenfeld, die die Sprache der Zeit hervorragend getroffen hat.
Ein zweiter Klassiker seiner Art ist der Nationalepos Polens: Adam Mickiewicz`„Pan Tadeusz oder der letzte Einritt in Litauen“. Auch hier vorab ein großes Lob an den Übersetzer Walter Schamschula, dem wir es zu verdanken haben, dieses wichtige Stück Literatur auch auf Deutsch in den Händen halten zu können. Die Geschichte zweier verfeindeter Adelsfamilien während der napoleonischen Kriege liegt uns hier in ihrer ursprünglichen Form, komplett in Versform, vor und wird durch ein Nachwort zu den historischen Begebenheiten ergänzt. „Pan Tadeusz oder der letzte Einritt in Litauen“ ist ganz im Stil weiterer großer Klassiker eine Geschichte um Liebe, Verrat und Macht. Es handelt von einer verbotenen Beziehung, den Ansprüchen an ein Schloss und letztendlich den Kampf gegen den großen gemeinsamen Feind: Russland.
Das Versepos steht auf dem Lehrplan jeder polnischen Schule und soll nach der Bibel das meistgelesene Buch in Polen sein. Adam Mickiewicz selbst wird auch der Goethe Polens genannt, einen interessanten Artikel über sein Leben gibt es hier.