Totalitäre Überwachung – Big Brother is watching you?

Das packende Drama Vezdesashtiat (Omnipräsent) von Regisseur Ilian Djevelekov zeigt die zunehmende Besessenheit eines glücklichen Familienvaters, permanent Familie, Freunde und Kollegen mit versteckten Kameras auszuspähen. Was als unschuldiges Hobby begann, endet schon bald in einer Katastrophe…

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Emil (Velislav Pavlov), Schriftsteller und erfolgreicher Inhaber einer Werbeagentur, führt ein scheinbar perfektes Leben: Seit vielen Jahren lebt er in einer glücklichen Ehe mit seiner Frau Anna (Teodora Duhovnikova). Gemeinsam wohnen sie mit ihrem Sohn und Annas Vater in einer prächtigen Villa im Zentrum Sofias.

Als Emil eines Tages von seinem bettlägerigen und pflegebedürftigen Vater (Mihail Mutafov) gebeten wird, eine Videokamera in seinem Wohnzimmer anzubringen, um herauszufinden, wer ihm heimlich seine antiquarischen Habseligkeiten stiehlt, kommt er diesem Wunsch nach. Während er die Kamera installiert, entwickeln sich schaugierige Gedanken in seinem Kopf.

Von der Neugierde geleitet

Nur kurze Zeit darauf beginnt Emil in seinem unmittelbaren Umfeld Kameras zu montieren und seine Mitmenschen auszuspionieren. Doch was anfänglich als Selbstexperiment und Inspiration für ein neues, längst überfälliges Buch gedacht war, entwickelt sich schnell zu einem verheerenden Netz aus Geheimnissen und Machtspielen, in das auch der Zuschauer unmittelbar verwickelt wird. Denn alle Webcamausschnitte, die Emil aufzeichnet und sich ansieht, bekommt der Zuschauer auch zu sehen und wird somit selbst zum Spanner und Mitwisser aller Vorkommnisse und Geheimnisse. So hört man mit an, wie Emils Angestellte über ihn herziehen, schaut schockiert dabei zu, wie seine Frau eine Affäre mit einer ihrer Freundinnen beginnt oder erwischt sich beim Schmunzeln, wenn man dabei zusieht, wie Emils Schwiegervater auf nicht konventionelle Art und Weise den Toilettengang verrichtet.

Den gesamten Film über erfolgt ein Wechsel zwischen der Spielfilmkamera, den Straßenkameras von Sofia, den Spionagekameras sowie Emils High-Tech-Brillenkamera. Durch die beiden letzteren wird ein spezieller „Versteckte-Kamera-Effekt“ erzielt. Stilistisch sehen die meisten Szenen durch diese Kamerawechsel sowohl dokumentarisch als auch voyeuristisch aus, was zusätzlich durch das Fehlen von Filmmusik verstärkt wird. Eher werden Dialoge der Ausgespähten und alltägliche Szenen genauestens fokussiert.

Ein gesellschaftliches Problem

Regisseur Ilian Djevelekov greift mit diesem Film ein aktuelles und umstrittenes Thema auf: die allgegenwärtige Präsenz von Kameras in unserer heutigen Zeit. Galten Spionagekameras noch vor nicht allzu langer Zeit als Mittel der Untersuchungstechnik als ein Privileg der Geheimdienste, sind diese nun aufgrund des rapiden technischen Wandels jedem leicht zugänglich. Ähnlich wie in George Orwells Roman 1984, in dem eine totale staatliche Observation ausgeübt wird, scheint es Djevelekov darum zu gehen, Bespitzelungsmaßnahmen kritisch aufzuzeigen und auf Tendenzen zu einem Überwachungsstaat hinzuweisen.

Durch das Aufzeigen intimer Momente, welche durch die exzellente schauspielerische Leistung der in Bulgarien bereits bekannten Hauptdarsteller sehr authentisch und realistisch wirken, wird in Omnipräsent aufgezeigt, wie Leute handeln, wenn sie sich scheinbar unbeobachtet fühlen und was passiert, wenn ein Mensch sich seiner Neugierde hingibt. Man schaut über 120 Minuten dabei zu, wie diese bis zur Besessenheit und zum absoluten Kontrollverlust befriedigt wird und dabei massiv die Persönlichkeitsrechte der Ausgespähten verletzt werden.

Bereits in Djevelekovs Debütfilm Love.net (2011) werden episodenartig verschiedene Charaktere in sehr intimen Momenten dargestellt. Menschen, die mit Hilfe des World Wide Web auf der Suche nach Anerkennung und Erfüllung sind und dafür bereit sind, Grenzen zu überschreiten. So ist es beispielsweise der Wunsch des braven Ehemannes, durch Schmuddelseiten Abwechslung zum tristen Ehealltag zu schaffen, um so die Beziehung zu kitten oder der Plan eines pubertierenden Teenie-Girlies, das grade dabei ist, seine Sexualität zu entdecken, mittels ominöser Foren seine Jungfräulichkeit zu verlieren.

Vielleicht ist es eben das schonungslose Aufzeigen von emotionalen und moralischen Abgründen normaler Leute, das Love.net zum nationalen Kassenschlager werden ließ. Auf jeden Fall hat Omnipräsent, welcher im Oktober 2017 in die bulgarischen Kinos kam, gute Chancen, an diesen Erfolg anzuknüpfen.

von Ann Milz

Djevelekov, Ilian: Vezdesashtiat (Omnipräsent). Bulgarien, 2017, 120 Min.

Siehe außerdem: Bericht von Irine & Elisabeth zum 27. FilmFestival Cottbus von auf Novinki.de

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