Der Winter rückt immer näher und damit auch umso mehr die Tage, in denen man sich gemütlich mit den Herbstneuerscheinungen dieses Jahres zurückziehen kann. Den österreichischen Nischen Verlag mit ungarischen Titeln haben wir euch bereits vorgestellt und freuen uns, mit „Stumme Wiesen“ von Tibor Noé Kiss und „Die brennende Braut“ von Krisztina Tóth nun über unseren Leseindruck der beiden neuen Bücher des Verlages zu berichten.
„Keine Familie, keine Arbeit, kein Geld, nur dieser Sumpf.“
„Stumme Wiesen“ ist der bezeichnende Titel des in der Puszta spielenden Romans der Schriftstellerin und Journalistin Tibor Noé Kiss. Sie erzählt die Geschichte einer kleinen Gemeinschaft am Rande der Gesellschaft. Eine Siedlung, ein Schloss und eine Anstalt sind die Handlungsorte eines tristen Alltags ohne Perspektive. Das Leben spielt woanders und so verbringen die wenigen Bewohner in einem ewigen Wartemodus auf eine Veränderung, die sie selber nicht vollbringen können. „Stumme Wiesen“ ist kein einfacher Roman. Auf den knapp 180 Seiten zeichnet sich das Bild einer kollektiven Depression, in der die Bewohner der Anstalt nachts durch die Ställe schleichen, während die Einwohner der grauen Siedlung den Tag vor sich hinleben und diesen im einzigen Laden oder in der Kneipe verbringen. Wem tatsächlich die „Flucht“ aus dieser Umgebung gelingt, kehrt nicht mehr zurück. Der als Schlossverwalter am Rand der Häuser lebende Antal hat ein einprägendes Urteil dazu:
„Wenn er sich auf die Veranda setzte, sah er die Siedlung nicht. […] Das war ihm nur recht, ihm reichte es, den Gestank der Siedlung zu spüren. Ein penetranter Gestank, schon als Kind wollte er ihm entfliehen.“
Auch der junge Laci prallt beim Versuch der Abwechslung auf die bittere Realität, die den Ruf seines Zuhauses umgibt: „Nur mit nächtlichen Motorradfahrten konnte er ein paar Mädchen den Kopf verdrehen. Dann aber kam der Morgen und es gab keine Frau auf der Welt, die gern in der Siedlung aufgewacht wäre.“
Krisztina Tóths „Die brennende Braut“ vereint wiederum nach „Pixel“ erneut eine Vielzahl von Kurzgeschichten mitten aus dem Leben. Diese sind kurz und prägnant und zeigen den charakteristischen Stil der Autorin auf. Mit kurzen Streiflichtern des Alltags bindet „Die brennende Braut“ die verschiedensten Figuren und Situationen ein, die teilweise nur wenige Seiten beanspruchen. Sie springt dabei von Milieu zu Milieu, von Familie zu Familie, von Beruf zu Beruf. Nicht immer bleiben die Geschichten dabei im Kopf und manchmal steht der Wunsch, die Geschichten auszubauen und länger mit den Figuren zu verweilen. So schnell, wie Tóth zur nächsten Erzählung springt, ist es schwierig, immer die Essenz des Geschehenen aufzugreifen, dennoch ist „Die brennende Braut“ ein empfehlenswertes Sammelsurium aus der ungarischen Gesellschaft. Sei es ein Hundekampf, ein Streit oder ein Unfall im Supermarkt – Tóth zeigt, dass sie eine besondere Stimme der neuen ungarischen Schriftstellergeneration ist.
Annika