Annika sagt zum Roman:
Hinter Lasha Bugadzes „LUCRECIA515“ verbirgt sich nicht nur der Titel seines neuen Romans aus der Frankfurter Verlagsanstalt, sondern auch das Computerpasswort seines Protagonisten Sandro, der sich trotz Frau und Kind auf diverse Liebschaften einlässt, die ihm im Roman schließlich zum Verhängnis werden.
Mit Ende 30 ist das Leben des Familienvaters Sandro nicht spektakulär. Als Teilhaber einer Saucenfabrik in Tiflis gehört er zu den wirtschaftlichen Gewinnern Georgiens, doch um ehrlich zu sein: er langweilt sich. Zwischen Ehe und Arbeit wird Sandro so zum Liebhaber der verschiedensten Frauen, die er akribisch kategorisiert und in einem Notizbuch sammelt. Sogar auf der Arbeit wird sein Ziel so, die jungen Mitarbeiterinnen auf einen Drink einzuladen und dabei zu wetten, wie lange er es wohl schafft, diese ins Bett zu bekommen. Scham- und problemlos springt er von einer Geliebten zur nächsten und spielt dabei ein Versteckspiel mit seiner Frau Keti, der er – ebenfalls als einstige Geliebte neben seiner Exfrau – das Ja-Wort gab und die die Mutter seines Sohnes ist. Erst mit der jungen Fernsehjournalistin Ana gibt es erstmals eine Frau, die den Spieß umdreht. Sie ist es, die dem Mann, dem sich alle hingeben, hinhält und für die er erstmals wieder Gefühle entwickelt. Schnell wird die Liebe zu Ana zu dem Wunsch, auch mit ihr zusammenzuleben. Die anderen Frauen treten in den Hintergrund und auch Keti muss mit ansehen, wie ihr Mann nicht mehr nur für einen Abend wegbleibt, sondern ganze „Geschäftsreisen“ unternimmt. Als betrogene Ehefrau knackt sie das Passwort ihres Mannes und schreibt Ana – mit turbulenten Folgen für alle drei …
„LUCRECIA515“ war nach den 2015 ebenfalls in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienenen Roman „Der Literaturexpress“ bereits die zweite Geschichte des georgischen Autors, die ich las. Diesmal wurde es für mich leider zu einer Enttäuschung. Der Traum des Mannes, der alle Frauen problemlos verführen kann ist ein Traum, dem nicht unbedingt ein ganzes Buch gewidmet werden muss. Schnell wurden die Protagonisten zu Stereotypen: Sandro, der Frauenheld, Keti, die eifersüchtige Ehefrau und Ana, die neue wilde Geliebte. Keine der Figuren konnte sich für mich durch viel Sympathie auszeichnen und noch nicht mal bei Keti reichte das Mitleid, um die Handlung zu tragen. Speziell Sandro als tragende Rolle zeichnet sich bis zum Schluss durch eine unglaubliche Selbstsicherheit aus, die ihn unfähig macht, aus seinen Fehlern zu lernen und den Frauen in seinem Leben Respekt entgegen zu bringen. Mal läuft er Ana hinterher, mal betitelt er sie als „Schlampe“, die er am liebsten umbringen würde. Als „hochamüsant“ beschreibt der Klappentext die Erzählung. Das Amüsante blieb mir leider bis zum Schluss verborgen und die angesprochene „Gesellschaftssatire“ verliert sich ebenfalls in banalen und klischeebeladenen Situationen. „LUCRECIA515“ ist für mich leider ein großer Flop. Der Roman nimmt viel Zeit und gibt wenig her, kaum Spannung, kaum Charaktere mit wirklichem Charakter, kaum Spaß.
Irine sagt zum Roman:
Ich habe das Buch kurz nach dem Erscheinen zunächst im Original – auf Georgisch – gelesen. Ich finde, dass der Roman eine unglaubliche Geschwindigkeit im Erzählen entwickelt und dadurch der Erzählfluss dieses besondere Tempo bekommt. Die Höhen und Tiefen der Hauptfiguren gehen fließend ineinander über und man kann sich keine einzige Minute langweilen. Durch die besondere Komik leidet man auch nicht mit den Figuren mit – man lacht eher über sie.
Bugadze hat einen Text geschrieben, der nicht allzu ernst gelesen werden soll. Der Roman stellt den georgischen Mann in der kollektiven Krise dar. Das patriarchalische System wackelt, da die Männer weder zu Hause mit ihren Frauen, noch in den Beziehungen jenseits der Ehe ihre Position wirklich behaupten können. Der Mann wird in der eigenen Falle fest gefangen. Bugadze geht es weniger darum, Sympathien zu entwickeln, sondern eher darum, die Figuren in ihrer Lächerlichkeit bloßzustellen. Das sind die georgischen Männer – die berühmten Machos im Kaukasus – die in der Realität einfache armselige Gestalten sind wie der Roman uns zeigen will. Trotz der sprachlichen und stilistischen Schwächen und Passagen, die teilweise sehr plakativ und banal wirken, lese ich den Roman durchaus sehr politisch und freue mich, dass er nun auch für die deutschsprachigen LeserInnen in Übersetzung von Nino Haratischwili & Martin Büttner zugänglich ist.
von Annika & Irine
ლაშა ბუღაძე (2013): lucrecia515. თბილისი: ბაკურ სულაკაურის გამომცემლობა.
Vielen Dank für Eure Besprechung! Ich habe vor kurzem für eine Literatursendung im Radio den “Literaturexpress” gelesen und mich köstlich amüsiert, Lasha Bugadze hat auf jeden Fall viel Humor. Die Thematik von “Lucrecia515” finde ich tatsächlich etwas klischeehaft, trotzdem werde ich im Buchladen mal in das Buch reinlesen. Freue mich auf weitere Besprechung georgischer Belletristik bei readost! Liebe Grüße, Tobias
LikeLiked by 1 person
Hallo Tobias, danke für Dein Feedback! Den ersten Roman haben wir auch sehr gerne gelesen. Der Zweite ist allerdings bei uns nicht so gut angekommen. Wir sind sehr auf Deine Meinung gespannt. Liebe Grüße, Irine
LikeLiked by 1 person
Muss zugeben das Buch hat mich sehr enttäuscht. Und die Annahme man sollte es nicht ernst lesen und nehmen finde ich nicht so toll.Warum übersetzt man dann das Buch und macht Werbung,wenn es nicht zu Ernst nehmen ist. Ich fand echt Schade um die Zeit und das Geld.Werde nie mehr was von ihm lesen.
LikeLike