Literarische Weihnachtstipps

Die Feiertage rücken näher und auch in diesem Jahr möchten wir euch ein paar Tipps für Kurzentschlossene präsentieren. Los geht es!

„Budapest verstehen zu wollen, ist ein lebenslanger Prozess angesichts einer faszinierenden, geradezu wilden Fülle an Merkwürdigkeiten im doppelten Sinn.“

Nachdem ich 2014 ein halbes Jahr als Erasmusstudentin in Budapest lebte, mache ich einen großen Bogen um die klassischen Reiseführer und -empfehlungen, wenn ich in der Stadt bin. An Bettina Spoerris und Miklós Klaus Rószas „Budapest abseits der Pfade“ (Braumüller Verlag) interessierten mich daher insbesondere die versprochenen Highlights weg von den Touristenorten. Tatsächlich kann das Buch da einiges bieten und kann selbst für budapesterprobte Reisende mit spannenden Überraschungen und Tipps aufwarten, die zu ausgewählten Spaziergänge, kulturellen Entdeckungen und kulinarischen Nachmittagen einladen. Hier ist „Budapest abseits der Pfade“ eine definitive Empfehlung, lesen sich die Texte doch schnell und kann man das leichte Taschenbuch ohne Probleme auch dabeihaben. Einziges Manko ist die Aufmachung. Für 15 € hätte ich mehr als nur abgeschnittene und teilweise zu kleine Fotos in schwarz-weiß erwartet, die etwas zu lieblos auf die Seiten geklatscht wurden. Gerade bei den Beschreibungen zu imposanten Gebäuden wäre eine farbige Ausrichtung wünschenswert gewesen. Dennoch überwiegt am Ende das Fazit, dass die Ausgabe ein tolles Geschenk für alle Budapestbegeisterten ist.

Alma M. Karlin ist die meistgelesene deutschsprachige Reiseschriftstellerin zwischen den Weltkriegen. In ihrer Autobiografie „Ein Mensch wird“ schildert sie in zutiefst ehrlicher, selbstironischer und offener Weise ihr Leben als junge Frau. Über ihre Zeit als mutige Entdeckerin schreibt sie in „Einsame Weltrise“ und dem neu erschienenen Band „Im Banne der Südsee“. Insgesamt bereiste die Deutsch-Österreicherin, die 1889 in Cilli, dem heutigen Slowenien, geboren wurde und acht Fremdsprachen beherrschte, fünf Kontinente, und das komplett auf sich alleine gestellt. Ihre Texte bieten einen spannenden Einblick in die damalige Lebenswelten und sind eine Schatzkiste voller kurzer Geschichten und Begegnungen. Alle drei Ausgaben sind im Aviva Verlag erschienen und sind eine Empfehlung für alle Geschichtsinteressierten und Reisebegeisterten, die außerhalb der gängigen Berichte lesen wollen.

In metaphorischer Sprache schreibt die lettische Autorin Inga Ābele in „Flut“ über Ieva, die die Beziehungen in ihrem Leben und gewisse Entscheidungen hinterfragt. Dabei wechseln sich die ruhigen, nachdenklichen Phasen mit den impulsiven und kraftvollen ab – Ebbe und Flut der Gefühlswelt. Auch die Sprache verändert sich mit fortlaufender Handlung und wird abgehackter.

Der Roman, der in einer Übersetzung von Matthias Knoll im Kommode Verlag erschienen ist, zeichnet sich dabei insbesondere durch die Passagen aus, in der man in die komplexe Gedankenwelt der Protagonistin eintaucht, an deren Leben wir in umgekehrter Reihenfolge teilhaben. Briefe und kurze Nachrichten ergänzen die Erzählung um Ievas Vergangenheit, in der nicht immer klar ist, was wirklich passiert und was nur ausgedacht ist.

von Annika Grützner

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Die Begegnung und Intimität zweier Menschen steht seit der Corona-Pandemie auf einem ungewollten Prüfstand, da die mögliche Nähe zum Gegenüber stets ein potenzielles Gesundheitsrisiko bedeutet. Im Roman „Kiras Version“ (Umina Verze) von Emil Hakl, der von Mirko Kraetsch aus dem Tschechischen übertragen wurde, kann es jedoch zu keiner Infektion kommen, da Kira ein Roboter ist. Sie wird Eff, einem einsamen, den Alkohol liebenden und über den Rand der Gesellschaft eigentlich schon hinabgestürzten Grafikdesigner von zwei zwielichtigen Gestalten zum Testen übergeben. Und während er weiter die Welt sarkastisch kommentiert und sie mit ihrem technischen Ursprung zu kämpfen hat, kommt, wie es kommen muss: Zwischen ihnen entwickelt sich eine unmöglich scheinende Liebe. Entgegen dem technisch aufgeladenen Textraum wird durch die Perspektivwechsel in die zweite Person semantisch eine Intimität aufgebaut, die im Gegensatz zur Textrealität zu stehen scheint: „Für Kira hast du damit nicht so viel Zeit, wie du gerne hättest. Das Ganze wird zu einem durchschnittlichen Zusammenleben. Du führst sie aus allen Kräften zu Orten, die dir bemerkenswert vorkommen – die ihr aber nicht mal ein halbes Wort entlocken.“

Doch die Liebesgeschichte von Kira und Eff ist ähnlich statisch, klapprig und grob wie man sich den Körper eines Roboters vorstellt. Sie löst sich kaum von Plattitüden und wenig authentischen Dialogen. „Kiras Version“ ist ein Sci-Fi Roman mit einem unbändigen Rhythmus. Die Sprache wirkt zu Beginn etwas ungelenk und trocken, doch sie schafft es, Leser*innen in den Bann zu ziehen. Die Geschichte spielt in einem ungewöhnlich anmutenden Prag, und einer vergessenen Zeit – der Gegenwart. Ein bisschen Ex Machina in der Tradition von Karel Čapek, der für sein Drama R.U.R. damals mit seinem Bruder Josef Čapek das Wort „Roboter“ erfand. Es ist sicherlich nicht der stärkste Roman von Emil Hakl, aber trotzdem lesenswert, besonders in dieser Zeit, in der Intimität und Technik sich ihren Rang streitig machen. 

von Ruben Höppner

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