von Annika Grützner
Die neue „Metzgerei Kennedy“ in der Kleinstadt Untermond steht im gleichnamigen Roman (erschienen im mitteldeutschen verlag in einer Übersetzung von Peter Groth) des rumänischen Autors Radu Țuculescu kurz vor der Eröffnung. Drei Tage lang folgen wir als Lesende der Erzählung rund um die Stadt bei Klausenburg/Cluj-Napoca und ihren illustren Bewohnern. Viel gibt es zu erleben, denn bis zum Montag steht die Aufführung des Großen Propheten Petrec und eine Sonnenfinsternis an. An Figuren gibt es da beispielsweise den pfeifenden Bürgermeister, den vor lauter Pfeifen in allen denkbaren Situation die wahnsinnig gewordene Frau verlassen hat, eine über ihre Patientin bloggende Ärztin, theaterbesessene, alternde Zwillinge, die ihre eigene Beerdigung als Generalprobe durchspielen oder den vegetarischen Metzgergehilfen, der Gedichte schreibt; sie alle machen Untermond zu einem Sammelsurium kurioser Figuren. Allen voran steht die Metzgerei in der Friedhofsgasse, die unter der Leitung von Flavius Kasian und dessen (alle drei Tage durchschlafende) Frau Matilda zum neuen Mittelpunkt des dörflichen Geschehens werden soll.
Der 2017 in Rumänien als Buch des Jahres ausgezeichnete Roman „Metzgerei Kennedy“ schwankt zwischen Absurdität und Einfallsreichtum. Mal kann man kaum glauben, dass es diese Stadt (Obermond als Pendant zu Untermond existiert übrigens in der Geschichte nicht) mit ihren Bewohnern wirklich geben soll, wenn auch nur fiktiv, und kommt wohl kaum drum herum, das Ganze als viel zu viel zu bezeichnen, mal kommt man nicht aus dem Schmunzeln heraus. Eins ist gewiss, mit seiner „Metzgerei Kennedy“ hat Radu Țuculescu als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren seines Landes einen witzigen Querschnitt seiner Figuren geschaffen, die wohl alle für sich eine eigene Erzählung verdient hätten. Țuculescu bedient sich dabei eines interessanten Erzählstils und springt mit einer einfachen Sprache von Protagonisten zu Protagonisten, die alle an dem beschriebenen Wochenende ihre vielen kleinen Höhepunkte erleben. Wer am Ende des Romans ein großes „Aha“ oder „Oho“ erwartet, wird allerdings enttäuscht. „Metzgerei Kennedy“ ist ein Roman, der aus vielen kleinen Handlungen besteht, was den Lesegenuss aber nicht beeinträchtigt.
- Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
- Verlag: Mitteldeutscher Verlag; Auflage: 1 (6. August 2019)
- Übersetzung: Peter Groth
- ISBN-13: 978-3963111075