Der russische Autor Vladimir Sorokin („Telluria“, „Der Schneesturm“ u. a.) steht für groteske Geschichten, die man nicht so schnell vergisst. Im Verlag Kiepenhauer & Witsch ist nun sein neuestes Werk „Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs“ in deutscher Übersetzung erschienen und steht seinen literarischen Vorgängern in nichts nach.
von Annika Grützner
In Sorokins Zukunft hat die Welt aufgehört, Bücher zu drucken und liest digital. Die Literatur ist zur wertvollen Handelsware im Untergrund geworden, doch das nicht, um sie zu lesen, sondern, um dem verbotenen Trend, den „Book’n’Grills“, neues Brennmaterial für exklusive Speisen zu liefern. Die Elite feiert sich so, indem sie Fisch auf Dostojewski, Fleisch auf Schnitzler oder Gemüse auf Mann isst und die Meisterköche zu Stars werden. Mittendrin steht der Chefkoch Geza, der von Ort zu Ort jettet, um seine Kunden glücklich zu machen. In seinem Tagebuch bildet er wichtige Etappen eines Jahres ab, das die Kochindustrie ins Wanken bringt.
Bücher zu verbrennen hat immer einen faden Beigeschmack, sei es historisch, soziologisch oder psychologisch bedingt. Sorokin überspitzt diese Tat und macht daraus ein gesellschaftliches Happening, das das Lesen äußerst unterhaltsam macht. Dass ausgerechnet Bücher, die als scheinbar überzählige Printversion abgeschafft werden, zur begehrten Ware zum Kochen werden, ist eine so außergewöhnliche und böse Idee, dass man dem Autor beinahe laut applaudieren will.
„Manaraga. Tagebuch eines Meisterkochs“ ist witzig, einfach und schräg – und das funktioniert.
Doch nach so viel Lob sei auch etwas Kritik erlaubt. Den einzelnen Figuren, insbesondere der Hauptfigur, gelingt es nicht unbedingt, im Gedächtnis zu bleiben. Sie bleiben blass und starr. Im Vordergrund steht die mafiöse „Book’n’Grills“-Gesellschaft, die die Fäden zieht und „alten Schinken“ und tot geglaubten Geschichten plötzlich wieder zu einer neuen Aufmerksamkeit verhilft.
Der in Berlin und in der Nähe von Moskau lebende Sorokin hat erneut bewiesen, dass er der Meister des Grotesken ist, und nicht ohne Grund als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Russlands zählt. Wir freuen uns auf die nächste Idee dieses spannenden Autors!
- Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
- Verlag: Kiepenheuer&Witsch (8. November 2018)
- Übersetzung: Andreas Tretner
- ISBN-13: 978-3462051261
- Originaltitel: Manaraga