Davit Gabunia ist der Shootingstar der georgischen Literaturszene und gilt als wichtigster jüngerer Dramatiker seines Landes. Er übersetzte u. a. Shakespeare, Strindberg und die „Harry Potter“-Romane ins Georgische. Es ist daher wohl kein Wunder, dass sein Debütroman „Farben der Nacht“ (im Original „Daschla“) in seiner Heimat mit großem Interesse der Medien und des Publikums erwartet wurde. Mit der Veröffentlichung im Rowohlt Verlag in einer Übersetzung von Rachel Gratzfeld erscheint der Roman nun auch im deutschsprachigen Raum und es wird sich sicher schnell zeigen, ob das Buch hier an den Erfolg in Georgien anknüpfen kann.
„Farben der Nacht“ bewegt sich genretechnisch zwischen Thriller und Familiendrama. Fünf Menschen verknüpft Gabunia auf spielerische, in verschiedenen Episoden erzählte Weise. Alles beginnt mit einem jungen Mann, der in eine neue Wohnsiedlung in Tiflis zieht und das Interesse des Nachbarn und Familienvaters Sura weckt, der, arbeitssuchend und auf der Suche nach Unterhaltung, beginnt, ihn zu beobachten und das bevorzugt nachts, wenn der neue Nachbar seinen Liebhaber, einen hohen Beamten, in seiner Wohnung empfängt. Sura wird zum Voyeur, zum stillen Teilhaber einer intimen Beziehung, die sich auch auf seinen Alltag auswirkt. Sein kompletter Tagesablauf richtet sich nach den Bewegungen des jungen Mannes und sein Schlafrhythmus steht im krassen Gegensatz zu dem seiner Familie, die er zusehends verliert.
Gabunias Erzählung wird von der Abhängigkeit seiner Protagonisten getragen, ihrer Abhängigkeit von Liebe, Anerkennung und Vertrauen. Doch in seinem Text zerbricht dies mehr und mehr und die Figuren folgen einer für sie scheinbar vorgegebenen und unausweichbaren Linie, bis es zur Katastrophe kommt. Beworben als Roman „zwischen Patricia Highsmith und Hitchcocks ,Fenster zum Hof‘ ist „Farben der Nacht“ durchaus ein Buch, das unterhält, doch irgendwie wird man beim Lesen das Gefühl nicht los, dass es das alles schon einmal in größeren und besseren Ausführungen gab. Gabunia versteht es, in den verschiedenen Szenen Spannung aufzubauen, doch wenn es dann zur Auflösung kommt, ist die Überraschung nicht allzu groß. Natürlich kann es nicht immer Ziel sein, etwas vollkommen Neues zu erschaffen, dennoch hätte es im Roman, der im Übrigen mit 190 Seiten (im Original knappe 132 Seiten) sehr schmal ausfällt, von allem etwas mehr geben dürfen – mehr Zugang zu den Figuren, mehr Hintergrundwissen, mehr Details und mehr eigener Stil.
- Gebundene Ausgabe: 192 Seiten, 20 € (D)
- Verlag: Rowohlt Berlin; Auflage: 1 (21. August 2018)
- Übersetzung: Rachel Gratzfeld
- ISBN-13: 978-3737100410
- Originaltitel: Daschla
Annika
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