kurz & kritisch
Das Buch „Die Stadt auf dem Wasser“ der jungen georgischen Autorin Salome Benidze kann sowohl als ein Roman als auch als eine Geschichtensammlung gelesen werden. Der Berliner AvivA Verlag, zu dessen Programm es gehört, den Frauen aus allen Künsten eine Stimme zu geben, veröffentlichte zur Vorbereitung zum Gastlandauftritt Georgiens auf der Frankfurter Buchmesse 2018 die deutsche Übersetzung des Buches. Salome Benidzes Prosa liegt programmatisch die feministische Perspektive zugrunde. Die Autorin versucht sich mit ihrem Debüt in die neue Welle – hier kann exemplarisch der Text „Abzählen“ von Tamta Melaschwili genannt werden – der georgischen feministischen Literatur einzuschreiben und scheitert dabei.
Im Mittelpunkt der Geschichten, die dieses schmale Buch mit wunderbaren Illustrationen von Tatia Nadareischwili versammelt, stehen sieben Frauen. Lydia, Ilaria, Helena u.a. ähneln sich auf den ersten Blick nicht wirklich, doch die Gefühlswelten sind es, die diese Frauen miteinander verbinden. Ihre Sehnsüchte, Träume, romantischen Vorstellungen und feste Ziele bestimmen die Lebensläufe der Figuren. Und es ist zuletzt das Wasser, das die Schicksale dieser Frauen in unterschiedlicher Art und Weise beeinflusst.
Wir lernen Helena kennen, die in das Familiengeschäft eingestiegen ist und die Bäckerei und das Cafè „Der rote Krake“ gemeinsam mit ihrer Tante Adela betreibt. Sie färbt sich abends die Lippen mit Berberitzen und träumt davon, aus ihnen ein besonderes Getränk zu erfinden. Ilaria wiederum kommt in die fremde Stadt als Baby in einem Boot und wird von einem Schwimmer gefunden. Und wir lesen die Geschichte von Maria, die direkt am Meer in ärmsten Verhältnissen in einer Hütte leben muss und sich eines Tages in Johannes verliebt. Doch die Liebe hält nicht lang.
Salome Benidze zeichnet Figuren mit meist tragischen Schicksalen, die man aber wegen der „übersüßten“ Sprache, die durch romantische Metaphern, Vergleiche und Bilder zusammengesetzt ist, nicht wirklich ernst nehmen kann. Jede Figur duftet hier entweder nach Orangenblüten, Pfirsichen, Mandeln oder Berberitzen. Das überzeichnete Ausschmücken der Figuren, deren Gefühlswelten und deren Träume hinterlassen den Eindruck, dass die Autorin sich hinter dieser Phantastik, dem Märchenhaften und letztendlich der Leere versteckt. Nach jedem Satz bekommt man immer stärkeren süßen Geschmack im Mund und will nach dem Beenden des Buches gleich einen starken schwarzen Tee hinterhertrinken.
Im Roman von Benidze werden Schneeflocken gezählt, die Flüsse weinen und die Vögel bringen Blumen mit, „die auf den Vulkanplateaus in Island wachsen.“ Das Universum duftet hier wie die „Sonnenblumen in der Mittagshitze“. Wir werden beim Lesen von Lilienknospen und Weinblättern umgeben und müssen zwischendurch immer kurz innehalten, um nicht von diesen betäubenden Düften ersticken zu müssen.
von Irine
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