Wie bereits mehrmals auf Read Ost hingewiesen, war Georgien letztes Jahr als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse eingeladen. Vieles wurde zum georgischen literarischen Programm schon geschrieben und auf Read Ost haben wir bereits mehr als ein Dutzend Bücher über und aus Georgien vorgestellt.
Der Berliner Wagenbach Verlag hat zum oben erwähnten Anlass in der berühmten Reihe des Verlags SALTO das Buch „Georgien. Eine literarische Einladung“ (Herausgegeben von Lena Luczak und Manfred Heinfeldner) gedruckt. Den Anspruch, dieses wie auf der Verlagsseite im Klappentext explizit angemerkt „Côte d’Azur des Ostens”, diese „widerspruchsreiche Gesellschaft“, oder gar dieses „Land im Umbruch“ den deutschsprachigen LeserInnen näher zu bringen, wird das Buch leider nicht gerecht. Schon im Klappentext werden die gängigen Klischees und Orientalismen aktualisiert, die in den letzten Jahren in der deutschsprachigen Presse erscheinenden Artikeln ebenfalls einen zentralen Platz hatten. Georgien wird oft als ein Land zwischen dem zivilisierten Westen und dem „dunklen“, barbarischen Osten platziert. Der östlichste, „europäischste“ Ort im Osten. Eine christliche Bastion vor dem muslimischen Orient. Verklärend und zugleich falsch-romantisierend führt uns in dieser „Entdeckungsreise“ Namens Georgien als erstes das Zitat von John Steinbeck ein:
Wo wir in Russland auch waren … überall hörten wir das magische Wort: Georgien. Menschen, die nie dort waren und vielleicht auch nie dahin fahren können, sprachen von Georgien … man sprach über Georgien wie über ein zweites Paradies.
Diesen problematischen Ansatz, den das Buch leider auch wählt, retten leider nicht mehr die vielen Auszüge aus den diversen Texten von georgischen und deutschen u. a. AutorInnen, die hier zitiert werden. Aus dem Roman „Das achte Leben. Für Brilja“ (FVA) von Nino Haratischwili wird in dieser Ausgabe ein Kapitel abgedruckt, wie auch aus Andrej Bitows berühmtem Buch „Georgisches Album“ (Suhrkamp Verlag), aber auch aus dem Georgien-Kapitel von Navid Kermanis Reisebuch „Entlang den Gräben“ (C.H. Beck). Die Bilder von Tbilissi aus dem 19. Jahrhundert und die von den postsowjetischen Plattenbauten sollen angeblich das Land visuell noch besser wahrnehmbar machen, als ob nur die Hauptstadt Tbilissi das ganze Land repräsentieren könnte.
Bedauerlicherweise wurden die Bezeichnungen von georgischen Regionen oder Städten von den HerausgeberInnen nicht genug präzise recherchiert. So heißt die bekannte Region im Klappentext auf der Verlagsseite statt „Chewsuretien“ fälschlicherweise „Chessuretien“ und auf der am Anfang des Buches abgedruckten Landkarte die Stadt „Zugdidi“, die im Westen des Landes in der Region Megrelien liegt, ebenfalls falsch „Zugidi“.
Besser kennenlernen werden die LeserInnen des SALTO-Bandes das Land Georgien mit Sicherheit nicht. Vielmehr wird man erneut mit den nichtssagenden Klischeebildern und westlichen Fremdprojektionen konfrontiert, die das Land und die Menschen mit ihrem westlich-europäischen und zugleich ahnungslosen Auge verklären.
Franz Kafka – „Ein Käfig ging einen Vogel suchen“
Komisches und Groteskes. Zusammengestellt von Klaus Wagenbach.
„Seit je hat mich die Schulweisheit vom dunklen Kafka geärgert“, schreibt Klaus Wagenbach in seiner Vorbemerkung zu dieser Ausgabe und stellt als Gegenbeweis eine Sammlung von Kafkas Schriften zusammen, die mit Humor und mit einer Tragi-Komik gekennzeichnet ist, die nur für Kafkas Schreiben typisch ist. Es sind die bekannten Briefe an Felice Bauer, die hier abgedruckt werden oder Auszüge aus seinen Tagebüchern. Es wurden Passagen aus einigen Erzählungen wie „Ein Landarzt“ (1917), „Beschreibung eines Kampfes (1903-1907), „Beim Bau der Chinesischer Mauer (1917) sowie aus seinen umfangreicheren Werken wie „Das Schloss“ (1922), „Der Verschollene“ (1911-1914) abgedruckt.
„Darauf sagte einer: Warum wehrt Ihr Euch? Würdet Ihr den Gleichnissen folgen, dann wäret Ihr selbst Gleichnisse geworden und damit schon der täglichen Mühe frei.
Ein anderer sagte: Ich wette daß auch das ein Gleichnis ist.
Der erste sagte: Du hast gewonnen.
Der zweite sagte: Aber leider nur im Gleichnis.
Der erste sagte: Nein, in Wirklichkeit; im Gleichnis hast Du verloren.“
(Auszug aus Das Ehepaar, 1922)
„Lernen Sie den lachenden Kafka kennen!“ – heißt es im Klappentext zum Buch und wir schließen uns da dem Verlag vollständig an. Es ist ein Must-have für alle Kafka-Fans und ein guter Anfang für die Leser, die sich erst jetzt diesen wichtigsten Autor der Moderne nähern wollen.
von Irine
Heute Abend beginne ich mit “Ein Käfig ging einen Vogel suchen” Irine, bin schon sehr gespannt. Aber Klaus Wagenbach hat sich ja sehr intensiv mit Kafka beschäftigt, ich bin sicher, er enttäuscht mich nicht. LG Olaf 🙂 😉
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