von Marina Büttner (literaturleuchtet.wordpress.com)
„Rexa sprach mich zum Beispiel mit meinem Namen an: „Frau Eka, helfen Sie mir. Stellen Sie sich vor, ich wäre einer Ihrer Patienten. Mein Leben ist nicht weniger dramatisch.“
So spricht der angefahrene Hund zu Eka, einer Psychotherapeutin, die sich in ihrer Freizeit um die Rettung ausgesetzter oder verletzter Hunde kümmert. Sie bringt sie zum Tierarzt, versucht neue Besitzer zu finden oder päppelt sie selbst wieder auf. Eka ist offenbar eine typische „Helferin“. In ihrer Praxis hat sie es mit unzähligen schwierigen Fällen, vielmehr Menschen zu tun. Die Fülle und Härte der Traumata, die sie zu behandeln hat, scheint auch etwas mit der Lage im Land, in dem Eka lebt, zu tun zu haben. Eka lebt in Georgien, in der Hauptstadt Tbilissi. Dort ticken die Uhren noch anders, dort sind die Unterschiede zwischen Mann und Frau noch größer als im westlichen Europa. Dort lebt es sich vor allem auch für LGBTQ-Menschen, für sexuelle Minderheiten gefährlich. Was Eka in ihren Sprechstunden hört, teilt sie oft mit ihrer Freundin, die ebenfalls als Traumatherapeutin arbeitet. In einer Bar sitzend geschieht so etwas wie gegenseitige Supervision, nicht selten fließen Tränen.
„Die Opfer der Misshandlungen sind bei uns meistens Frauen, Homosexuelle oder heterosexuelle Männer, die von angeblichen Demokratieverfechtern in den Gefängnissen bis zum Gehtnichtmehr vergewaltigt wurden.“
Wenn eine bekannte Persönlichkeit, seine Angebetete von Kumpanen vergewaltigen lässt, weil sie eben Frauen liebt und mit ihm ganz sicher nichts zu tun haben will, ist das entsetzlich. Wenn toughe, vor Männlichkeit strotzende, korrupte Typen sich vor Angst in den Schoß der nächsten Kirche flüchten, damit sie nicht belangt werden können, ist das haarsträubend. Wenn eine Frau, die mit ihrer Geliebten Kinder haben möchte, dies nur auf dem Umweg Heirat mit einem Mann, Schwangerschaft und sofortige Trennung/Scheidung schafft, dann ist das traurig. All diese Beispiele zeugen von einem Staat, in dem das Patriarchat noch immer das Sagen hat und Homophobie das Normalste der Welt ist, in dem die Kirche offenbar noch viel mitmischt und in dem die Demokratie eher schwankt. Dass der Roman in Georgien ziemliches Aufsehen erregt hat, wundert mich nicht.
„Frag wen du willst, wenn du eine Frau mit Gewalt nimmst, wird sie es nie vergessen und sich letztendlich in dich verlieben.“
Tamar Tandaschwili arbeitet selbst als Psychologin und kennt sich also mit dem aus, worüber sie schreibt. In sprunghafter Erzählweise schreibt sie kurze Sequenzen über Alltag, Beruf, Freizeit und Beziehung. Vieles bleibt offen, vieles muss die Leserin sich selbst erarbeiten, muss sie zwischen den Zeilen lesen. Trotz der offensichtlichen Schwere des Themas gelingt es der Autorin Humor zu bewahren, der jedoch mitunter bis zum bitteren Sarkasmus reicht, aber auch von unglaublicher Stärke der Frauen in ihrem Land zeugt.
Schwierig war es, die vielen Namen auseinanderzuhalten, schwierig auch die gekonnten Andeutungen auf tatsächliche Persönlichkeiten aus der neueren georgischen Geschichte und Politik zu erkennen, wenn man selbst nicht dort gelebt hat. Um wirklich alles zu verstehen, müsste man recht viel recherchieren. Doch selbst wenn man nicht alle Zusammenhänge erkennt, ist der Roman verständlich, merkt man, dass manches im Argen liegt/lag.
Am Schluss des Romans spielt Tandaschwili mit fantastischen Elementen. Sie schickt ihre Heldin kurzzeitig ins Jenseits und hier klärt sich auch die Frage nach dem seltsamen Titel des Romans, der mit den Worten endet:
„Das Leben ist eine Form von Humor, strenger als Ironie, aber weicher als Sarkasmus.“
„Löwenzahnwirbelsturm in Orange” ist im Residenz Verlag erschienen. Im Anhang findet man ein Glossar für die georgischen Begriffe. Aus dem Georgischen übersetzt hat das Buch Natia Mikeladse-Bachsoliani.