Dana Grigorceas „Die Dame mit dem maghrebinischen Hündchen“ ist das dritte Buch der Autorin, das beim Zürcher Verlag Dörlemann erschienen ist. Die in Bukarest geborene Grigorcea lebt in Zürich und schreibt auf Deutsch. 2015 gewann sie mit ihrem zweiten Roman „Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit“ beim Ingoborg Bachmann-Wettbewerb den 3-sat-Preis. Nun ist in einer wunderschönen Gestaltung eine Novelle erschienen, die stark an die Geschichte „Die Dame mit Hündchen“ (1899) von Anton Čechov erinnert. Wie bei Čechov Anna und Dmitri, so bei Grigorcea Anna und Gürkan lernen sich zufällig kennen und verlieben sich. Sie sind beide nicht mehr zwanzig und auch schon verheiratet. Wenn bei Čechov von diesem frischen Liebespaar, wie Nabokov einmal richtig anmerkte, eher „dynamisch-schwingend“ erzählt wird, greift die Erzählweise bei Grigorcea eher leisere Töne auf.
Anna lebt in Zürich, hat ihre besten Jahre als Balletttänzerin schon hinter sich und fühlt sich zu der Gesellschaft ihres Mannes, der ein renommierter Arzt ist, nicht wirklich zugehörig. Genauso wenig wie der riesige Blumenstrauß, den sie immer nach den Vorführungen von ihrem Mann in die Garderobe geschickt bekam und „der inzwischen unangemessen groß ausfiel.“ Die Bekanntschaft mit Gürkan gibt ihr einen Anhaltspunkt in einem Milieu, zu dem sie eigentlich nicht gehört. Gürkan ist Gärtner und Zulieferer, Schweizer Kurde aus der Türkei, aus einem Dorf an der Grenze zu Syrien. Früh hat er seine Frau geheiratet und ist auch mit ihr in die Schweiz ausgewandert.
Die Novelle ist eine Liebeserklärung an die Stadt Zürich, die in diesem Sommer, in dem die Novelle spielt, einen besonderen Zauber hat, der Menschen und Kulturen zusammenbringt, die auf den ersten Blick nicht zusammengehören. Menschen, die in ihren einsamen Spaziergängen durch den Gärten der Stadt am Zürcher See nicht allein sind, weil so wie auch Anna, eine verwandte Seele zu finden glauben.
von Irine
Lena Gorelik – Mehr schwarz als lila
Lena Goreliks jüngster Roman Mehr schwarz als lila, erschienen bei rowohlt Berlin, ist eher in der Jugendliteratur anzusiedeln, aber durchaus auch für Erwachsene lesenswert. Einerseits wegen des sehr hohen Niveaus, welches sich zum Beispiel in der elliptischen, fast philosophischen Sprache zeigt, andererseits durch die universellen Themen wie Liebe und Freundschaft. Als LeserIn fühlt man sich in seine eigene Jugend zurückversetzt, in der die erste (große) Liebe einem den Kopf verdreht und die Gedanken vernebelt hat, in der das ganze Leben aus Fragen besteht, die Zukunft ein abstrakter Begriff ist. Hätte, wäre, könnte – das Leben ein Konjunktiv.
Lena Gorelik vermag dies durch die Ich-Perspektive der 17-jährigen Alex brillant darzustellen. Wenn sie etwas unternimmt, dann nur mit ihren besten Freunden Ratte und Paul zusammen. Eine untrennbare Einheit. Bis Johnny, der neue Referendar an ihrer Schule, auftaucht. Zwischen ich, sie und er gibt es plötzlich noch ein du. Bei Alex steht auf einmal alles Kopf, ihre Werte, ihre Gedanken, ihr Herz. Dabei übersieht sie das Offensichtliche und verspielt alles. “Wir haben Paul aufgegeben, um dich haben zu können, und wir haben das mit voller Absicht getan. Und ich fing an, das Ich mit einem Wir zu verwechseln, um mich besser zu fühlen. Ich lud die Schuld in ein dreibuchstabiges Wir.“
von Elisabeth
Danke für diese neugierig machende Rezension, werde es bestellen.
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Viel Spaß!
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