Der Wunderhorn Verlag steht für ausgewählte, hochwertige Literatur und hat mich mit der Reihe zeitgenössischer afrikanischer Literatur (AfrikaAWunderhorn) bereits absolut überzeugt und begeistert. Neben dieser literarischen Reihe hat Wunderhorn selbstverständlich noch viel mehr zu bieten. Wir möchten euch zwei Gedichtbände vorstellen – eine Gedichtsammlung des in Bulgarien geborenen Schriftstellers Ilja Trojanow und VERSschmuggel, ein Format, das Übersetzer und Poeten zusammenbringt und in diesem Jahr litauische und iranische Künstlerinnen und Künstler vorstellt.
„Verwurzelt in Stein“ – Ilja Trojanows Gedichte entstanden u. a. in Vietnam, Kambodscha und Südafrika, deren Städte den Gedichten als Entstehungsorte zugeordnet sind. Die Sammlung, bestehend aus deutschen Gedichten und ihren englischen Übersetzungen, unterteilt sich in 5 Kapitel, deren Überschriften „Gesang auf einen weiteren Wal“, „Das Orchester der Anarchie“ oder „Kollateralschaden“ bereits eine Idee der verschiedenen Texte versprechen. Diese sind mal politisch, mal gesellschaftlich und mal humorvoll ausgerichtet. So wechselt sich ein Gedicht namens „Killing Fields“, das von den vielen schrecklichen Morden unter den Roten Khmer in Kambodscha handelt, mit einem Text namens „Maitreya“ ab. Dieses liest sich fast schon wie eine spirituelle Momentaufnahme aus Trojanows Reise zu den Marble Mountains in Vietnam:
„Sag mir was passieren wird.
Eine Linie entworfen in Kurven
gereicht zum Segen,
gesäumt von Straßenhändlern
mit eigener Erlösungslizenz. […]“
„Verwurzelt in Stein“ sind die Verse Trojanows, indem seine Texte und Gedanken an bedeutenden kulturellen Orten wie beispielsweise der Tempelanlage Angkor Wat entstanden sind und dadurch auch immer als etwas Erhabenes erscheinen. Die zweite Hälfte der Gedichtsammlung wird dann durch „härtere Gesellschaftsgedichte“ geprägt, die in einem starken Kontrast stehen. Insgesamt geben die Texte einen interessanten Einblick in die Schaffenskraft des Autors, der nach Stationen in Nairobi, Indien und Südafrika heute in Wien lebt und hier eine gesammelte Mischung vieler Themen zeigt.
Passend zum Gastlandauftritt Litauens auf der Leipziger Buchmesse hat der Wunderhorn Verlag im Frühjahr in Zusammenarbeit mit dem Haus für Poesie eine umfangreiche Sammlung litauischer und deutscher Gedichte veröffentlicht. „VERSschmuggel“ vereint so 12 Dichterinnen und Dichter, die ihre Texte während eines literarischen Treffens gegenseitig übersetzten. Mit Hilfe von Interlinearübersetzungen und eines Dolmetschers entstanden so aus den ursprünglichen Gedichten in der Originalsprache teilweise ganze Inhalte und Aussagen neu. Wie im Vorwort geschildert, wurden die Verse so in die deutsche oder litauische Sprache „geschummelt“ und haben den Künstlerinnen und Künstlern neue Einblicke in ihre eigenen und in die fremden Gedichte gegeben. „Übersetzungen wollen schwimmen“, lautet passenderweise eines der Gedichte von Sabine Scho. Das Ergebnis dieses „Schwimmens“ präsentiert der Band zweisprachig und auch, wenn man nur das Deutsche oder Litauische beherrscht, sind die Eigenarten der jeweiligen Sprache schnell erkennbar. Neben den Inhalten der Gedichte rücken auch insbesondere die linguistischen Eigenarten in den Vordergrund. So spielen auch die Längen und Betonungen der Texte eine große Rolle. Besonders hervorzuheben ist die Möglichkeit, mittels Barcode alle Gedichte – von den Autoren eingesprochen – anzuhören.
Sabine Scho: „Übersetzungen wollen schwimmen“
„Agne und ich stellten fest, uns verband eine gewisse Schwarmintelligenz: Es wimmelte von Fischen in unseren Gedichten. Und wenn schon Gedichte nahelegen, doch am besten gleich neue Arten zu erfinden, hatten wir beide das gute Gefühl, die Evolution wieder ein bisschen vorangetrieben zu haben.“
Annika
Das klingt interessant. Den Verlag werde ich mir merken 🙂
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Ich finde es wunderbar, dass es eine Stimme wie die Deine gibt, um der großartigen, aber leider viel zu wenig bekannten Literatur aus Osteuropa eine Plattform zu bieten. Weiter so!
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Vielen lieben Dank, wir bleiben dran! 🙂
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