„Die Verschwörung der Fahrradfahrer“ von Svetislav Basara

Svetislav Basaras „Die Verschwörung der Fahrradfahrer“ (Dittrich Verlag) erschien vor 20 Jahren in Jugoslawien und mauserte sich hier schnell zum Kultroman. Trotz des großen Erfolges in der Heimat dauerte es nach der Übersetzung von dem „Führer in die innere Mongolei“ 2008 im Antje Kunstmann Verlag noch bis 2014, bis der Dittrich Verlag den serbischen Autor auch in Deutschland mit einer Übersetzung des Romans würdigte. Als Teil der sehr zu empfehlenden Edition Balkan können wir nun diese interessante Zusammenstellung fiktiver Dokumente rund um die „Evangelischen Radfahrer des Rosenkreuzes“ erlesen und entdecken.

Im Vorwort des Romans beschreibt Basara sein Werk als „Fama“, was sich auf deutsch am ehesten mit „Gerücht“ übersetzen lässt. Auch die Erzählungen um die seit dem Mittelalter existierenden „Evangelischen Radfahrer des Rosenkreuzes“ sind Gerüchte, Fantasien und wilde Berichte, die sich zusammengewürfelt in dem Buch finden lassen und ein Gesamtbild ergeben, das die Leser verblüfft und verwirrt zugleich zurücklassen.
„Ich dachte, unsere Zeit sei eine Zeit des Fragmentierten, des Halbfertigen, des Unfertigen.“, lautet die Erklärung für dieses Wirrwarr aus Stimmen u.a. von real existierenden Personen wie Arthur Conan Doyle oder Sigmund Freud oder fiktiven Figuren wie Karl dem Grässlichen. Im Mittelpunkt der Dokumente stehen immer die Fahrradfahrer, die sich selber als „Nachkommen des Oströmischen Reiches, von Byzanz“ betrachten und sich weigern, „jegliche Nachfolgestaaten-Schöpfungen, die auf den ehemals byzantinischen Territorium entstanden sind, anzuerkennen“. Neben ihren wilden häretischen Theorien rund um die Heiligkeit des Fahrrads (so ergibt dieses aus der Vogelperspektive ein Kreuz und Mann und Frau werden zu Fahrradmotiven, die Frau wohlgemerkt ohne Stange in der Mitte) sind die Mitglieder Feinde von Uhren, die sie in regelmäßigen Aktionen zerstören. Denn die Zeit existiert nur als Konstrukt der Menschen und teilt das Leben so zu kategorisch ein. Was für die Anhänger zählt, ist insbesondere das Leben nach dem Tod, auf das sie sich durch Weissagungen verstorbener Mitglieder, die sie im Traum besuchen, vorbereitet werden und indem sich alle verbinden. Träume werden hier zu Treffpunkten.

„Die Verschwörung der Fahrradfahrer“ mag auf den ersten Blick sperrig wirken, doch schnell zeigt sich der faszinierende Sog, den Basara mit dem Spiel zwischen Fiktion und Realität ausübt. Erwartet man hier eine konventionelle Handlung, wird man schnell enttäuscht. Genauer genommen könnte man das Buch auch nach der Hälfte weglegen und wäre genau so schlau wie nach Beendigung aller Kapitel. Die Berichte gliedern sich in Briefe, Analysen, Kurzgeschichten und biografischen Erzählungen, die nach und nach die Bilder der Fahrradfahrer verdeutlichen. Geschickt bindet der Autor Skizzen und sogar Fotos ein, die die Figuren zeigen sollen. Wohin die literarische Reise geht, bleibt lange unklar und Basara hält starr an seinem Konzept des „Halbfertigen“ fest. „Die Verschwörung der Fahrradfahrer“ ist definitiv keine einfache Lektüre, spielt er zwar mit großen Motiven wie der Traumdeutung, dem Leben nach dem Tod, dem Glauben an Gott und das ewige Leben, präsentiert aber gleichzeitig einen „Nicht-Roman“, der ebenfalls, wie im Nachwort empfohlen, von hinten gelesen werden kann.

  • Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
  • Verlag: Dittrich, Berlin; Auflage: 1 (10. März 2014)
  • Übersetzung: Mascha Dabic
  • ISBN-13: 978-3943941197
  • Originaltitel: Fama o biciklistima

Annika

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