Reiseliteratur über exotische Routen und außergewöhnliche Destinationen liegt schon länger im Trend und wird gerade durch zahlreiche Neuerscheinungen diverser ReisebloggerInnen immer beliebter. Mit „Sowjetistan“ und „Couchsurfing durch Russland“ haben wir uns zwei aktuelle Titel angesehen, deren VerfasserInnen sich bewusst dazu entschieden haben, ihre eigenen Grenzen aufzubrechen und sich mit Kulturen und Ländern auseinanderzusetzen, die außerhalb der gängigen Reiserouten liegen.
Stephan Orth katapultierte sich mit „Couchsurfing im Iran“ (Malik) direkt in die Beststellerlisten. Auch der Nachfolgeband „Couchsurfing in Russland“ (Malik) steht dem in nichts nach. Erneut gestaltete der Journalist seine sechswöchige Reiseroute anhand seiner Couchsurfingangebote und flog und fuhr so von St. Petersburg über Tschetschenien nach Wladiwostok, von der Krim ins Altai-Gebirge. Dabei traf er die verschiedensten Menschen und reflektierte immer wieder das Verhältnis der verschiedenen kulturellen Gruppen zu Putin und zu Europa. Das Ergebnis sind viele kleine Reiseberichte, die mit Humor von seinen Begegnungen erzählen, aber nicht unbedingt immer in die Tiefe gehen. „Couchsurfing in Russland“ ist ein Reisebuch, das schnell gelesen und auch schnell wieder vergessen ist. Ein wenig mehr Einblicke in den Alltag und die Geschichte der jeweiligen Einwohner wäre sicher nicht verkehrt gewesen. Alkoholabhängige, vor sich hin torkelnde Russen? Check! Begeisterte Putinanhänger? Check! Russische Frauen zwischen Pelz und Prunk? Check! Orth bestätigt viele Klischees, doch manchmal fragt man sich dann doch, ob das wirklich alles sein kann. Als Basis für den Russlandurlaub sicher unterhaltsam, als Lektüre für Kenner eher nicht.
Erika Fatlands Buch „Sowjetistan: Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan“ (suhrkamp Taschenbuch) ist der Bericht über die zweimalige Reise der Autorin in diese 5 zentralasiatischen Länder, die für viele unbekannt sind und noch heute stark vom großen Nachbarn Russland beeinflusst werden. Geprägt werden ihre Berichte von der großen Gastfreundschaft und Willkommenskultur der Einwohner, aber auch von den politischen Problemen der verschiedenen Regionen.
Pferde in Kasachstan, ein mechanisches Buch als Denkmal in Turkmenistan, die Diktatur in Usbekistan – viele Themen kann Fatland in ihrem Buch nur anreißen, doch somit entsteht eine unterhaltsame Mischung aus ihren humorvollen Begegnungen und bitterem Ernst. Zwar ist es der Titel, der vor dem Lesen bereits negative Bilder heraufbeschwört, doch was die Autorin in „Sowjetistan“ präsentiert, ist eine spannende Region, die touristisch noch vollkommen unerschlossen ist und Lust auf das Reisen macht. Das Buch selbst ist eher leichte Kost, doch die Hintergründe und kleinen Details zur Landeskunde, die Fatland offenbart und öffnet, machen „Sowjetistan“ zu einer Leseempfehlung für alle, die abseits von Australien, USA und Co. das Abenteuer Reisen noch intensiver erleben möchten.
Annika