600 M² GLÜCK – DIE DATSCHA: Ein gemeinsames Bildbandprojekt von Evgeny Makarov und Lew Rubinstein

imagegroupPünktlich zur Sommer- und Ferienzeit ist beim Münchner Kunstbuchverlag Sieveking der wunderbare Fotoband von Evgeny Makarov mit Texten von Lew Rubinstein erschienen. „600 M2 Glück – die Datscha“ versammelt Fotografien aus der Datschasiedlung „Orekhovo“ bei St. Petersburg. Makarov reiste 2013 zu dem Ort seiner Kindheit und fotografierte Landschaften und Menschen, die dort jedes Jahr vom Mai bis Oktober in ihrem gewöhnlichen Rhythmus leben. Das Coverbild zeigt die „Kirschendame“ Anna. Beeindruckend gelassen liegt sie auf einer Bank und greift nach den rot leuchtenden Kirschen, die großzügig über ihren Kopf wachsen. Die Dichotomie „Stadt-Land“ wird hier durch das Zitat von Anna noch weiter unterstützt. Die Datscha heißt für sie schlicht und einfach das Leben – „In der Stadt werde ich nur krank und müde. Hier habe ich immer etwas zu tun, das hält mich jung.“

Außer Anna zeigen die stückweit melancholischen Aufnahmen Figuren, die nur selten ihre Gesichter zeigen. Sie werden eher als verschwommene Gestalten dargestellt und sind kaum vor dem dazugehörigen landschaftlichen Hintergrund wahrzunehmen. Hier gehen Menschen den üblichen Tätigkeiten nach – sie reparieren Autos, gehen Angeln oder ruhen sich einfach aus. Die Fotos von Makarov zeigen die üblichen Holzhäuser mit den kleinen Gärten, die durch ihre chaotische Ordnung auffallen. Überhaupt ist eine gewisse Unordnung der wichtigste Bestandteil des Gartens und von Innenräumen der Datschen – als ob man hierher alles bringt, was man in der Stadt als unbrauchbar aussortiert hat, hier findet alles zumindest irgendwann Gebrauch. Datschen sind die Ablageorte des Alten, des Kaputtgegangenen, die hier zum neuen Leben erweckt werden.

Das Essay von Lew Rubinstein, das dem Fotoband beigefügt wird, ordnet die Kultur des Lebens auf der Datscha historisch ein und erklärt den Begriff im Hinblick auf dessen Wandlung und Entwicklung. Im Mittelpunkt stehen hier das 20. Jahrhundert und die kommunistischen Jahre Russlands, während dessen die Datscha als einen vermeintlichen Zufluchtsort stilisiert wurde und mit dem bestimmten Freiheitsgefühl in Verbindung stand. Der Text vom Rubinstein ergänzt die Bilder, ohne zugleich über sie dominieren zu wollen.

Ein schöner Bildband zum Blättern und zum ästhetischen Genuss für die LeserInnen, die sich für die russische Kultur und die osteuropäischen Landschaften interessieren. Es sind die einzelnen kleinen Details, die in den Fotos am Meisten begeistern – wie die schimmernden Wassertropfen an den Fingern des jungen Anglers am abendlichen See. Der entschleunigte, verlangsamte Rhythmus des Lebens auf Datscha kommt in diesem Bild in allen Dingen zur Sprache. Hier fließt die Zeit besonders langsam und die Landschaft strahlt die Ruhe und Gelassenheit der Dämmerung, die insbesondere im Sommer durch die beeindruckenden Bilder einbricht.

von Irine

600 M² GLÜCK – DIE DATSCHA (2017): FOTOGRAFIEN VON EVGENY MAKAROV. TEXT VON LEW RUBINSTEIN. AUS DEM RUSSISCHEN VON ROSEMARIE TIETZE. München: Sieveking Verlag.

 

 

 

 

 

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